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MULTIPLE KONFESSIONELLE »von Glaubensirrtümern gereinigte« Neudrucke,
ZUGEHÖRIGKEITEN? REZEPTION die sich allerdings erheblich voneinander unterschie-
UND ZENSUR DES MAINZER den. An diesen Differenzen lässt sich beobachten,
DOMPREDIGERS JOHANN WILD OFM wie unterschiedlich die »katholischen« Zensoren die
(1495–1554) Grenze zwischen »Lutheranismus« und Rechtgläu-
bigkeit zogen. Der vermeintlich »harte theologische
Markus Müller Kern« der katholischen Konfessionskultur wurde,
am IEG 2018–2022 so zeigt sich, auch nach dem Konzil von Trient in
Institutionelle Förderung verschiede nen kulturellen, politischen und theologi-
schen Kontexten unterschiedlich konstruiert.
Für die Suche von Parallelen und Unterschieden in
Die seit 1550 gedruckten Postillen und Bibel kom- frühneuzeitlichen lateinischen Drucken wurde eigens
mentare des Mainzer Dompredigers Johann Wild eine Software entwickelt. Die Architektur dieser
enthielten zahlreiche Paraphrasen und wört liche Software wurde im Jahr 2022 verbessert und im Hin-
Zitate von Theologen aller Konfessionen. Während blick auf eine geplante digitale Edition erwei tert.
seine Texte in Mainz als musterhaft »katholisch« Der Untersuchungsraum wurde auf die Spani schen
gedruckt wurden und sich in ganz Europa bestens Niederlande ausgedehnt und die theolo gie- und kul-
verkauften, verdächtigten die kirchlichen Zensoren turgeschichtliche Kontextualisierung der gefundenen
in Frankreich, Spanien und Italien Wild des »Luthe- Zensuren vorangetrieben.
ranismus«. Sie erstellten daher »expurgierte«, d. h.
Die Grafik von Markus Müller nutzt als Basis die manuelle Nachzensur der Spanischen Inquisition in einer bereits expurgiert gedruckten
Ausgabe von Johann Wilds Kommentar zum Römerbrief, Kapitel 7.
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