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WEGE DER MÖNCHE – WEGE DER »GURBET ISTANBUL«:
MACHT. DIE DONAUFÜRSTENTÜMER MIGRANTEN IN DER OSMANISCHEN
ALS KNOTENPUNKTE IM HAUPTSTADT, 1453–1800
TRANSIMPERIALEN RAUM
Denise Klein
MihaiD. Grigore Förderung: Eigene Stelle im Rahmen des Schwer-
2018–2020 Institutionelle Förderung, punktprogramms »Transottomanica« der Deutschen
ab 2022 Förderung der Gerda Henkel Stiftung Forschungsgemeinschaft, Laufzeit: 08 / 2019–07 / 2023
(zuvor institutionelle Förderung seit 04 / 2014)
Das Projekt untersucht die Verbindung zwischen
Mobilität und Herrschaftsbildung in ihrer ge gen- Das osmanische Istanbul war eine Stadt der Einwan-
seitigen Bedingung im transimperialen ortho do xen dernden. Nach der Eroberung 1453 brachten die
Raum Südost- und Osteuropas zwischen dem 14. und Sultane Muslim:innen, Christ:innen, Jüdinnen und
17. Jahrhundert. Hauptziel ist, die Mobilität von religi- Juden aus den Provinzen, Gefangene aus neu ero-
ösem Wissen und religionspolitischer Program matik berten Gebieten und Sklav:innen aus Osteuropa und
als Ressource der Herrschaftsbildung zu be leuch ten. Afrika in die verlassene Stadt. Wenig später fanden
Die Analyse baut auf vier Einflussträgern aus dem jüdische Religionsflüchtlinge aus Spanien und osma-
mönchischen Bereich auf. Ihre Itinerarien werden nische Untertan:innen, die vor Armut und Gewalt in
im riesigen transimperialen Raum von Antiochien den Provinzen flohen, dort ein neues Zuhause. Bald
bis Moskau unter der Berücksichtigung der jeweili- wurde die aufstrebende Hauptstadt zum Magnet
gen Vernetzung, Umgebung und politisch-religiösen für Migranten und Migrantinnen, vor allem für junge
Kon stellation verfolgt. Somit zeigt sich, wie trans- Männer aus Anatolien und vom Balkan, die auf eine
regionale polyzentrische Kommunikationsräume Karriere und ein besseres Leben hofften. Seltener
entstehen. Die Problematik wird am Beispiel der stammten diese jungen Männer aus den arabischen
Fürstentümer Walachei und Moldau veranschaulicht. Provinzen, dem Iran oder Europa. Die Zahl der
Sie bündelten die erwähnten Itinerarien (diachron Migrant:innen forderte Staat, Stadtgesellschaft und
gesehen) und fungierten als Drehscheiben von aufzu- Einwandernde, die sich in der großen und fremden
zeigenden Mobilitätsströmen im transosmanischen Stadt ein neues Leben aufbauen und ein Zuhause
Kommuni ka ti onsraum. Durch diese Funktion wurden finden mussten, heraus.
die bei den Fürstentümer überhaupt als eigenstän- Das Projekt erzählt ihre Geschichte und untersucht
dige Herr schaften hervorgebracht. Das monogra- dabei den Zusammenhang zwischen Migration und
phisch er fasste Vorhaben möchte u. a. einen Beitrag Zugehörigkeit in der osmanischen Welt von 1453 bis
zur Heu ristik des »Transosmanischen« und der 1800. Es möchte herausarbeiten, wie unterschied-
»polyzentri schen Ordnungen« leisten. Im Jahr 2022 liche Migrant:innen ihre Migration erlebten und wie
erfolgte ne ben einem Forschungsaufenthalt in der sich ihre sozialen, religiösen, regionalen und anderen
Bibliothek des Ost kirchlichen Instituts in Würzburg Zugehörigkeiten überlagerten und immer wieder neu
die Arbeit mit der Gerda Henkel Stiftung an der ausgehandelt und hierarchisiert wurden. Im Jahr 2022
Produktion einer Doku-Reihe zum Projekt. Sie wurde wurde die Auswertung von Quellen und Literatur
ab Januar 2023 auf dem L.I.S.A. Wissenschaftsportal fortgesetzt und zwei Aufsätze zu Einwandernden in
veröffentlicht. städtischen Strukturen und zum Umgang der imperi-
alen Elite und Stadtgesellschaft mit der Differenz und
Zur Doku-Reihe auf dem Zugehörigkeit von Migrant:innen verfasst.
L.I.S.A. Wissenschaftsportal
URL: <https://lisa.gerda-henkel-
stiftung.de/nikodemus>
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