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SELBSTMARGINALISIERUNG                           EUROPÄISCHE RELIGIONSFRIEDEN
          DER TÄUFER. »ABSONDERUNG«                        DIGITAL (EuReD)
          ALS THEOLOGISCHES KONZEPT
          UND GESELLSCHAFTLICHE PRAXIS                     Irene Dingel (Leitung, IEG / AdW Mainz),
          BEI DEN TÄUFERN DES 16. BIS                      Thomas Stäcker (Leitung, ULB Darmstadt),
          18. JAHRHUNDERTS                                 Marion Bechtold­Mayer (AdW Mainz, bis Dezember
                                                           2022), Silke Kalmer (ULB Darmstadt, bis Oktober
          Henning P. Jürgens                               2022), Christopher Voigt­Goy (IEG / AdW Mainz),
          Seit 2020                                        Kevin Wunsch (ULB Darmstadt), Andreas Zecherle
          Institutionelle Förderung                        (AdW Mainz, bis Dezember 2022)
                                                           2020–2040
                                                           Finanziert durch das Langfristprogramm der Union
          Aus dem Prozess religiöser Pluralisierung, den die   der deutschen Akademien der Wissenschaften,
          Reformation Wittenberger und Schweizer Prägung   angesiedelt an der AdW Mainz, in Kooperation
          auslöste, gingen bald auch die ersten »Täufer« hervor.   mit dem IEG und der ULB Darmstadt
          Sie verbanden einen radikalen Biblizismus mit Forde-
          rungen nach weitergehenden Reformen der Kirche
          und des Lebens. Die Praxis der Glaubenstaufe von Er-  Der konstruktive Umgang mit religiöser und konfes-
          wachsenen wurde namensgebend für diese Gruppen.   sioneller Pluralität ist eine Aufgabe, die sich nicht
          Nach 1525 begannen die weltlichen Obrigkeiten in der   erst in der Gegenwart stellt. Richtungweisend für alle
          Schweiz und weiten Teilen Deutschlands, die Täuferi-  neuzeitlichen Koexistenzformen wurde das Entste-
          schen zu vertreiben oder hinzurichten. Einige Täufer   hen von »Religionsfrieden« seit dem 16. Jahrhundert,
          und Täuferinnen reagierten auf die Verfolgungs-  die besonders nach der Reformation das Zusammen-
          erfahrung mit der Forderung, dass sie sich als die   leben der christlichen Konfessionen politisch-recht-
          »wahren Christen« von der als sündig und unchristlich   lich ordneten. Ziel des Vorhabens ist die digitale
          verstandenen Welt absondern und fernhalten sollten.  Edition solcher politisch-rechtlichen Koexistenzre-
          In der Folge entwickelten sie unterschied liche   gelungen und ihre historische Kontextualisierung.
          For men radikalchristlicher Existenz: vereinzelt im   Dadurch wird die Edition einen Schlüssel für das Ver-
          Untergrund, in geduldeten Gemeinschaften bis hin   ständnis der europäischen Vormoderne anbieten, der
          zu rein täuferischen Siedlungen mit kommunitären   auch gegenwärtige Entwicklungen problembewusst
          Lebensformen. Immer wieder sahen sich diese Grup-  ein zuschätzen erlaubt.
          pen jedoch gewaltsamer Marginalisierung und Ver-  Das Projekt EuReD wird zwölf Editionsmodule be-
          folgung ausgesetzt, der sie sich oft durch Migration   arbeiten, die neben territorialen Regelungen auch
          entzogen. Seit dem 17. Jahrhundert entwickelte sich   solche in Handels-, Bündnis- und Friedensverträgen
          die bewusste Selbstseparierung zu diversen Formen   zwischen den europäischen Staaten sowie Eheverträ-
          der Assimilation fort. Im Mittelpunkt des Forschungs-  ge konfessionsverschiedener adliger Herrscherhäuser
          projekts stehen die kommunikativen Strategien und   beinhalten. Die Edition bietet durch ihre Einleitun-
          die alltagspraktischen Konsequenzen der selbstge-  gen Einblicke in eine Religionsfriedenspraxis, die
          wählten Absonderung für täuferische Gruppen in   im »Kommunikationsraum Europa« schon sehr früh
          Reaktion auf den gesellschaftlichen Marginalisie-  einsetzte. Die Texte werden kommentiert, durch
          rungsdruck.                                      digitale Methoden erschlossen und im Open Access
          Im Jahr 2022 wurde u. a. ein Aufsatz zu täuferischen   verfügbar gemacht.
          Rechtskulturen erarbeitet.                       Im Jahr 2022 wurden die editorischen Arbeiten
                                                           sowie die technischen und digitalen Arbeiten an der
                                                           Editions- und Publikationsplattform fortgeführt. Im
                                                           Februar 2022 fand die internationale Auftakttagung
                                                           »Religionsfrieden im Kontext des frühneuzeitlichen
                                                           Europa« statt.

                                                                                  Zur Website
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