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TAG DER OFFENEN TÜR
2022 Sara Müller (Georg-August-
Universität, Göttingen):
17.09.2022 »Viele Wege führen nach
Sarah Jacobson (zuvor Göttingen. Die ethnologische
Uni versity of Tennessee): Sammlung der Georg-August-
Nach zwei corona-bedingten » ›Wo Ratten huschen und Kaker- Universität Göttin gen und die
Ausfällen konnte im Jahr 2022 der laken kriechen‹: Italieni sche internationalen Handelswege
Tag der offenen Tür des IEG am Gastarbeiter und Hausbesetzun- und Netzwerke im 19. und
17. September wieder stattfinden gen in 1970er Frankfurt a. M.« 20. Jahrhundert«
(s. S. 87). Unter anderem stellten Das Projekt untersucht die Wohn- Sara Müller stellte den Besu-
die Wis senschaftler:innen in Kurz- bedingungen süditalie ni scher cher:innen am Tag der offenen
vorträgen den Besucher:innen die Migrant:innen in zwei In dus trie- Tür einen Bootsschild aus ihren
Forschungs arbeit am IEG vor, unter zentren während des Wirt schafts- Forschungsarbeiten vor. Heute
ihnen auch drei Stipendiatinnen. wunders: in Turin (Italien) und befindet er sich in der Ethnolo-
Frankfurt a. M. (Westdeutsch- gischen Sammlung der Universität
Johanna Hügel (Freiburg / Br.): land). In den späten 1960er- und Göttingen, ursprünglich stammt
»Kunst, Ethnographie und das frühen 1970er-Jahren zahlten er aus Papua-Neuguinea. Im Jahr
verborgene Leben der Dinge, italienische Gastarbeiter häufig 1912 eigneten sich ihn die Mitglie-
Petersburg 1890–1920« mehr Miete als Westdeutsche und der einer deutschen Expedition
Im Fokus dieses Projekts stehen Norditaliener, und vielen fehlte an den Fluss Sepik in Papua-Neu-
die Geschichten der Dinge, die in es an Strom, fließendem Wasser, guinea an. In ihrer Forschungs-
den Schriften und Fotografien funktionierender Heizung oder arbeit geht Sara Müller der Frage
des lettisch-russischen Künstlers auch einer Innentoilette. Als ihr nach, wie und warum Objekte
und Kunsttheoretikers Voldemārs Protest dagegen scheiterte, grif- aus einer ehemaligen deutschen
Matvejs (1877–1914) abgebildet sind. fen die italienischen Migrantinnen Kolonie im pazifischen Ozean in
Unter dem Pseudonym Vladimir und Migranten zu Mietstreiks deutsche Institutionen gelangten.
Markov verfasste er in den Jahren und Hausbesetzungen, um auf Sie interessiert insbesonders,
1912–14 die ersten russischsprachi- ihre schwierigen Lebensbedin- wie der Transfer von Objekten
gen Schriften zur Kunst aus Afrika, gungen aufmerksam zu machen. ganz praktisch funktionierte.
Ozeanien und der Amurregion. Am Sarah Jacobson untersucht Zugleich möchte Sara Müller die
Beispiel eines Objektes zeichnete zivilgesellschaft liche und offizielle Akteurinnen und Akteure be-
Johanna Hügel für die Besucher:in- Reaktionen auf die Protestakti- nennen, die an der Aneignung
nen die verschiedenen Stationen des onen der Migrant:innen und wie und dem Transport der Objekte
Objektes aus der Amurregion nach, anhand des Rechtes auf Wohnen vom Sepik bis nach Göttingen
über die Transsibirische Eisenbahn größere Fragen wie die nach beteiligt waren. Damit wird sie
und in das Museum für Anthropolo- Staatsbürgerschaft und sozialer einen Beitrag zur Aufarbeitung
gie und Ethnographie Petersburg bis Zugehörigkeit verhandelt und der deutschen Kolonialgeschichte
in die Photographien Markovs. verstanden werden können. leisten.
v. l. n. r.: Johanna Hügel; ein untersuchtes Objekt aus der Amurregion; Eppsteiner Straße 47 (Frankfurt a .M.): italienische Migrant:innen haben
hier an der ersten Hausbesetzung der BRD teilgenommen.
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