Transgressive Frömmigkeit: Wallfahrt und Grenzen in der Zeit der Französischen Revolution
In den turbulenten Jahrzehnten um 1800 vermischten katholische Wallfahrer:innen Frömmigkeit und Politik in den Grenzgebieten zwischen deutsch- und französischsprachigem Europa. Obwohl klerikale Führung wichtig blieb, zeigt das aktuelle Buchprojekt, wie sich katholische Laiinnen und Laien oft selbst mobilisierten, als sie sich den politischen und religiösen Herausforderungen der Aufklärungsreformen, der Revolution und der autoritären Herrschaft Napoleons stellten. Wallfahrtspraktiken beeinflussten die Machtdynamik in den Grenzgebieten, die sich durch die französische Expansion von der Übernahme Lothringens 1766 bis zur Zeit der napoleonischen Hegemonie dramatisch veränderten. Die Wallfahrt lebte von den Schlupflöchern, die sich in diesem Expansionsprozess bildeten. Ob als Einzelpersonen oder in größeren Gruppen, die frommen Reisenden überschritten häufig territoriale Grenzen, was ihre Mobilität aus Behördensicht sowohl verdächtig als auch schwer kontrollierbar machte. Sie versuchten unter anderem, sich Passkontrollen zu entziehen, provokativ in protestantische Gebiete einzudringen und Wallfahrtsziele im Ausland zu besuchen, die sich dem Zugriff antiklerikaler Revolutionäre entzogen. In den daraus resultierenden Konflikten entwickelten Wallfahrer:innen neue Strategien für eine postrevolutionäre Kirche, die in der Lage war, mit Nationalismus, imperialer Macht und weltlicher sowie protestantischer Kritik umzugehen.