Christliche Ordnungskonzepte in Großbritannien als Reaktion auf die europäischen Krisen der 1930er- und 1940er-Jahre
In dem von der DFG geförderten Projekt untersuchte John Carter Wood die Pläne für eine neue gesellschaftliche und politische Ordnung, die in den 1930er und 1940er Jahren als Reaktionen auf Wirtschaftskrisen, Totalitarismus und Krieg im Rahmen eines hauptsächlich von Angehörigen der anglikanischen und presbyterianischen Kirchen getragenen Intellektuellenkreises entwickelt wurden. Der untersuchte »Kreis« – bestehend aus zwei kircheneigenen Organisationen (The Council on the Christian Faith and the Common Life [CCFCL]; The Christian Frontier Council [CFC]), einer privaten Diskussionsrunde (The Moot) und einer wöchentlich (später zweiwöchentlich) erscheinenden Publikation (The Christian News-Letter [CNL]) – wurde in diesem Projekt unter dem Begriff »Oldham-Kreis« retrospektiv zusammengefasst, nach dessen Hauptinitiator, dem Missionar und ökumenischen Aktivisten, Joseph H. Oldham. In dieser Konstellation war die Gruppe zwischen 1937 und 1949 aktiv.
Die Ideen und Aktivitäten des Oldham-Kreises können als Paradebeispiel für die Relevanz und Komplexität der Auseinandersetzung christlicher Denker mit den sozialen, kulturellen und politischen Wandlungen in Europa in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gedeutet werden. An den Debatten um eine neue gesellschaftliche Ordnung in den 1930er und 1940er Jahren waren christliche Akteure und Organisationen in Großbritannien maßgeblich beteiligt und der Oldham-Kreis spielte eine führende und öffentlichkeitswirksame Rolle. Der Kreis war eng vernetzt mit führenden Figuren der protestantischen Kirchen, an Diskussionen über die Gestaltung der Bildungs- und Sozialpolitik der Nachkriegszeit beteiligt und wurde in vielen christlichen und säkularen Presseorganen rezipiert.
Sein Ziel war es, westliche Gesellschaften durch die Verquickung christlicher Prinzipien und »modernen« soziologischen Wissens kulturell zu erneuern: d.h. die gesellschaftliche Entwicklung in Richtung einer »Christian society« zu steuern. Was genau eine »christliche Gesellschaft« ausmachte, blieb innerhalb des Kreises vage und umstritten. Es gab aber einen weitgehenden Konsens zu bestimmten Themen.
Mit der Untersuchung der Ideen des Oldham-Kreises sowie deren Entstehung und Verbreitung knüpft das Projekt an eine Reihe etablierter Forschungsfelder zum frühen 20. Jahrhundert an – z.B. zum christlichen Ordnungsdenken oder zur Sozialpolitik der anglikanischen Kirche – und leistet zugleich einen Beitrag zur allgemeinen Ideen-, Kultur- und Mediengeschichte der 1930er- und 1940er-Jahre.
Der Beitrag religiöser Intellektueller an Intellektuellendiskursen der 1930er- und 1940er-Jahre wurde bisher kaum zur Kenntnis genommen. Das Projekt füllt diese Lücke in dem es in seiner kulturwissenschaftlichen und ideengeschichtlichen Herangehensweise an das Thema christlicher Ordnungskonzepte anknüpft, insbesondere in dem Bestreben, die Auseinandersetzung zwischen theologischen und säkularen Ideen zu analysieren.
Eine Veröffentlichung der Projektergebnisse in einer Monographie ist in Planung.