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Martin Peters *
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Gliederung: Literatur
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Text:
»Internationale Beziehungen« werden generiert durch politische und völkerrechtliche Institutionen und Instrumente. Schon im Mittelalter und besonders in der Frühen Neuzeit gehörten Diplomatie, Botschaftswesen, bilaterale und multilaterale Bündnissysteme sowie Kongresse zu den erprobten Kommunikationsmedien überregionaler und zwischenstaatlicher Sicherheitspolitik. Amnestieklausel, Einsatz von Kommissionen, Regularien beim Austausch von Gefangenen – allesamt dem vormodernen internationalen Recht entsprungen – haben ihre Gültigkeit bis heute erhalten. Seit dem 17. Jahrhundert lassen sich Utopien, Leitbilder und Richtlinien einer europäischen Friedensordnung, die auf einem System der kollektiven Sicherheit beruht, nachweisen.[1] Vormoderne Strategien der Friedenswahrung und -sicherung gewinnen heute durch die interdisziplinäre Forschung immer schärfere Konturen.[2]
Erstaunlicherweise geriet ein ganz besonderes Instrument der Friedenswahrung und -sicherung im Laufe der Zeit in den Hintergrund: die dynastische Ehe. Dies erstaunt umso mehr, weil doch gerade in der »Staatsheirat« interdynastische und zwischenstaatliche »Beziehungen« intensiv und buchstäblich formuliert und gelebt wurden. Für Mittelalter und Frühe Neuzeit kann zweifelsohne festgestellt werden, dass Dynastien für ein friedliches Europa heirateten.[3]
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Europäische Heiratsverträge waren in der Vormoderne anerkannte Optionen dynastischer Regierungspolitik und konnten Imperien hervorbringen. Die Heirat zwischen der polnischen Königin Jadwiga und dem litauischen Fürsten Władysław II. Jagiełło am 2. Februar 1386 legte die Grundlage für die Dynastie der Jagiellonen und den Aufstieg der neu geschaffenen polnisch-litauischen Union zu einer führenden Macht im nordöstlichen Europa. Heiratsverträge bereiteten Allianzen vor oder untermauerten Bündnisse, begründeten Ansprüche auf Territorien oder ermöglichten Rangerhöhungen und Prestigegewinn. Als wichtiges Instrument des politischen Kalküls waren Eheschließungen zwischen Dynastien von gehörigem Interesse und unterstanden deshalb der Beobachtung der europäischen Mächte. Dynastische Ehen der Vormoderne waren machtpolitische Vereinbarungen, denen die subjektiven Wünsche der Ehepartner untergeordnet wurden. Als friedensstiftende Instrumente wurden sie ebenso gezielt eingesetzt, wie Waffenstillstände, Grenzrezesse, Präliminar-, Handels-, und Subsidienverträge oder auch Familienpakte. Um den Frieden zu sichern, mussten manche Ehen deshalb auch verhindert werden. Im Friedensvertrag von Barcelona (1493 I 19) verpflichten sich Ferdinand und Isabella, ihre Kinder nicht mit bestimmten Häusern zu verheiraten.[4] In Artikel 9 des Teilungsvertrages über das spanische Erbe (1700 III 3 und 1700 III 25) wurde die Gefahr, dass die Gebiete der spanischen Habsburger durch eine mögliche Ehe an Frankreich oder Österreich fallen könnten, expressis verbis ausgeschlossen. Es heißt:
»mais le tout à condition que le dit partage ne poura jamais estre reuny, ny demeurer en la personne de celuy qui sera Empereur ou Roy des Romains ou qui sera devenu l’ûn ou l’autre, soit par Succession testament, contrat de mariage, donation, eschange cession, appel, revolte, ou autre voye«.[5]
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Heiratsverträge ermöglichten und verhinderten insofern europäische Sicherheitspolitik und grenzüberschreitende Kooperationen. Und sie waren besonders gut geeignet, um familiäre Nähe, Intimität, Vertrautheit und Freundschaft zwischen zwei fürstlichen Familien zu inszenieren. Dynastische Heiraten belebten in Mittelalter und Früher Neuzeit insofern die »internationalen beziehungsweise interdynastischen Beziehungen«. Welches Haus mit welcher Dynastie heiratete, war strategisch geplant und ein bedeutender Baustein der dynastischen Politik. Häufig wurden traditionell gute und friedliche Beziehungen zwischen zwei Häusern durch die Ehe erneuert, gesichert und öffentlich demonstriert.[6] Auf diese Weise entwickelte sich über die Generationen eine gewisse Präferenz für ein fürstliches Haus bei der Auswahl der Ehepartner. Als Beispiele können die häufiger abgeschlossenen Heiraten des Hauses Dänemark mit Hessen-Kassel oder Braunschweig dienen. Frankreich (Valois, Bourbonen) entwickelte eine Präferenz für Savoyen, Lothringen, England und Spanien. Louis, Herzog von Burgund und Marie-Abélaïde von Savoyen gingen 1696 IX 15 ihre Ehe in Turin ein. Ihre Vermählung wurde im Friedensvertrag vom 29. Juni 1696 (Artikel 3) fixiert. In der Präambel des Heiratsvertrages wird ausgeführt, dass diese Beziehung im Kontext der traditionellen Allianz zwischen den Häusern Frankreich und Savoyen steht:
»[…] mais aussy pour luy témoigner encore d[’]avantage la singuliere consideration, qu’elle fait de sa maison pour tant d’alliances reciproques si souvent contractées depuis plusieurs siecles entre la Maison de France, et celle de Savoye Sa Majesté seroit convenue par l’article 3e du d[i]t traité, que le mariage de Monseigneur le Duc de Bourgogne avec Madame la Princesse de Savoye fille ainee du dit tres haut, et tres puissant Prince Duc de Savoye et de Madame Anne d’Orleans Duchesse de Savoye se traittera incessamment pour s’effectuer de bonne foy lors qu’ils seront en age, et que le contract se fera presentement après quoy la d[it]e Dame Princesse sera remise entre les mains du Roy en execution du quel Article Sa M[ajes]té. auroit enyové à Turin […]«.[7]
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Tradition und Gewohnheit legitimiert auch die Heirat zwischen dem Herzog von Lothringen und Elisabeth Charlotte von Orléans (1698 X 12). Im Heiratsvertrag wird die Jahrhunderte währende Allianz der Häuser Frankreich und Lothringen betont (»les alliances contractées depuis plusieurs siecles entre la maison de France et celle de Lorraine«).[8] Die Sicherung und Herstellung von Bündnissen strebte auch die spanisch-französische Heirat zwischen Louis, Prinz von Asturien, und Luise-Elisabeth von Orléans (1721 XI 16) an. Der Heiratsvertrag hebt bewusst die Freundschaft zwischen beiden Häusern hervor. Es heißt:
»[Louis XV.] porté du desir d’affermir et de rendre durable l’amitié parfaite et les liaisons étroites qui doivent toujours subsister entre les deux branches de sa Maison Royale, auroit arrêté et conclu le Traité de son mariage […].«[9]
Ein letztes Beispiel: In einer 1710 fixierten Vereinbarung, in der die Verlobung zwischen der späteren russischen Zarin Anna Iwanowa, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages sieben Jahre alt war, und dem zweijährigen, bereits ein Jahr darauf verstorbenen Herzog Friedrich Wilhelm von Kurland festgeschrieben wurde, heißt es in der deutschsprachigen Ratifikation, dass das Eheverbündnis geschlossen werde:
»zu der allerhöchsten Ehren und zu etablierung gutten Verständnißes, und Vertrauens, zwischen beyderseits hohen Principalen, auch beförderung gedeylichen Aufnehmens, und Wohlfahrt zwischen beyderseits Reiche, und Länder«.[10]
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Derzeit ist die Forschung bestrebt, dynastische Heiratsverträge verschiedenen Grundtypen zuzuordnen. Hermann Weber (1981), Peter Moraw (1997), Heinz Duchhardt (2001), Tobias Weller (2004) und jetzt auch Jan Paul Niederkorn (2007) unterscheiden sieben Kategorien von Eheverträgen, nämlich 1. Zuwachs der Hausmacht (Erwerbsheirat); 2. Herstellung von externen Bündnissen; 3. Herstellung von internen (Partei-)Bündnissen; 4. Besiegelung von Friedensschlüssen (Rekonziliationsheiraten); 5. Signal eines politischen Paradigmenwechsels; 6. Situationsbedingte Interessen[11] und 7. Soziale Mobilität und Prestige.[12] Grundsätzlich gilt, dass die Grenzen der Heiratsmotive fließend sein konnten. Zudem waren die Interessen der Vertragspartner häufig unterschiedliche. Für die Großmächte waren Heiraten eine Möglichkeit, kleinere Staaten an sich zu binden. Für kleinere Dynastien und Staaten hingegen, z.B. Savoyen und Toskana, waren sie eine ernstzunehmende Option, auf das Spiel der europäischen Mächte durch ein überregional vielfältiges Netzwerk Einfluss zu üben. Nicht selten kam es zu win-win Situationen, wie sich besonders gut anhand der Medici nachweisen lässt. Der Friedensvertrag von Florenz zwischen Heinrich II. von Frankreich und Cosimo von Medici (1552 VIII 4) mit seiner anti-kaiserlichen Stoßrichtung ist eine Folge der Ehe zwischen Katharina von Medici und ihrem fünf Jahre zuvor zum französischen König gekrönten Gatten.
Das wohl bekannteste Beispiel eines frühneuzeitlichen Friedensvertrages, der eine dynastische Ehe regelt und verkündet, ist der Pyrenäenfrieden (1659 XI 7), in dem die Heirat zwischen Ludwig XIV. und der spanischen Infantin María Teresa ausgehandelt wird. Dass die Heirat expressis verbis zur Friedensicherung diente, geht aus Artikel 33 des Pyrenäenfriedens hervor. Der Heiratsvertrag ist nicht nur Teil des Friedensvertrags und besitzt somit völkerrechtliche Relevanz, sondern soll dazu beitragen, dass der Friede, die Union, die Konföderation und die gute Verständigung eng, andauernd und unauflösbar wird. Friedens- und Heiratsvertrag sollen gleich sein an Kraft und Wert. Es heißt dort [Art. 33]:
»Et afin que cette paix et union, confédération et bonne correspondance soit comme on le désire d’autant plus ferme, durable et indissoluble lesdits deux principaux Ministres Cardinal Duc et Marquis Comte Duc en vertu du pouvoir spécial qu’ilz ont eu à cet effect des deux Seigneurs Roys, ont accordé et arresté à leur nom le mariage du Roy très Chrestien avec la Sérénissime Infante Dame Marie Térèse fille aisnée du Roy Catholique et ce mesme jour date des présentes ont fait et signé un traité particulier auquel on se remet touchant les conditions réciproques dudit mariage et le temps de sa célébration. Lequel traité à part et capitulation de mariage sont de la mesme force et vigueur que le présent traité comme en estant la partie principale et la plus digne aussy bien que le plus grand et le plus précieux gage de la seureté de sa durée«.[13]
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Welche weitreichende Bedeutung Heiratsverträge für die christliche Welt erlangen konnten, das zeigt die Heirat zwischen Ludwig XIV. und María Teresa von Spanien. Der Mainzer Frühneuzeithistoriker Hermann Weber hat überzeugend herausgearbeitet, dass hier nicht nur die Wohlfahrt zweier Reiche geregelt, sondern geradezu die Sicherung »de la paix publique de la Chrestienté« angestrebt wurde.[14] Es heißt im Heiratsvertrag zwischen Ludwig XIV. und María Teresa:
»Que d’autant que leurs M[ajes]tez Tres Chrestienne et Catholiq[ue] sont venus et viennent a faire le Mariage afin de tant plus perpetuer et assurer par ce noeud et lien la paix publique de la Chrestienté Et entre leurs M[ajes]tez l’amour et La fraternité que chacun Espere Entr’elles et en contemplation aussy des Justes et Legitimes causes qui monstrent et persuadent l’Egalité et convenance dud[it] mariage, par le moyen du quel Et moyennant la faveur et grace de Dieu chacun en peut Esperer de tres heureux succez au grand bien et augmentation de la foy et Religion Chrestienne, au bien et benefice commun des Royaumes, sujetz et Vassaux des deux couronnes comme aussy pour ce qui touche et importe au bien de la Chose publique Et conservation desd[ites] Couronnes qu’éstant si grandes et puissantes elles ne puissent etre reunies en une seule et que des a present on previenne les occasions d’une pareille Jonction.«[15]
Öffentlicher Frieden und öffentliche Ruhe sind Schlüsselbegriffe frühneuzeitlicher Friedensverträge. Auch der Heiratsvertrag von Fontainebleau zwischen Spanien und Frankreich (1679 VIII 30) zielt auf die »tranquilité publique«.[16] Der Heiratsvertrag von München (1680 I 27) vermeidet Konflikte, indem die Gewohnheiten und Rechte beider Länder anerkannt und gleichgestellt werden. Es heißt dort, dass der Heiratsvertrag auf der Grundlage aller »formes et solennitez prescrites par les coustumis et usages du pays« geschlossen wurde.[17]
Seit Anfang des 18. Jahrhunderts dringt der Begriff »Europa« in die Heiratsverträge ein. In der Präambel des Heiratsvertrages zwischen Franz von Este und Charlotte von Orléans (1720 II 11) wird das fürstliche Haus unter die »principales Maisons de l'Europe« gezählt,[18] womit eine Art soziale Ordnung Europas suggeriert wird. Europa bildet hier eine Identifikations- und Bezugsgröße, eine Art Dach, unter dem sich verschiedene Häuser vereinen. Der Bezug zu Europa wird auch im Heiratsvertrag zwischen Ludwig XV. und Maria Leszczynska (1725 VIII 9) deutlich, in dem es um »le repos de son Royaume, et celuy de toute l'Europe« geht.[19] Heinz Duchhardt legt dar, dass die Metapher von der »Ruhe Europas« (repos; Tranquillität) seit etwa 1690 im europäischen Völkerrecht entwickelt wird, um die eigene Selbstlosigkeit und das allgemeine Interesse am Wohl der europäischen Staatenfamilie zu inszenieren. Seit 1713 weist Duchhardt eine neue, moderne Formel im Völkerrecht nach: die »liberty of Europe«.[20] Dieser Paradigmenwechsel lässt sich in Heiratsverträgen jedoch nicht immer belegen. Der oben erwähnte Heiratsvertrag aus dem Jahre 1725 zwischen Ludwig XV. und Maria Leszczynska operiert erstaunlicherweise noch immer mit der »Ruhe« und nicht mit der »Freiheit« Europas. Möglicherweise eignen sich Heiratsverträge nicht als Beleg, um die Ausformung der völkerrechtlichen Figur der »Freiheit« nachzuzeichnen. Auch aus diesem Grund erscheint eine umfassende Auswertung der vormodernen Friedens- und Heiratsverträge dringend erforderlich.
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Die Analyse von dynastischen Heiratsverträgen zeigt, dass einige Häuser Ehepartner und -partnerinnen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Herkunftsländer an sich banden. Habsburg ging Ehen mit folgenden Häusern ein: Portugal, Spanien, Dänemark, Frankreich, Lothringen, Burgund, Polen, Ungarn, Böhmen, Tirol, mit einigen deutschen Reichsständen (Sachsen, Bayern, Pfalz-Neuburg, Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel) sowie einigen italienischen Häusern und Staaten (Mailand/Sforza, Savoyen, Este, Gonzaga, Toskana/Medici, Parma, Sizilien). Dabei ist festzustellen, dass sich Habsburg bis 1789 niemals mit Schweden, England, Niederlande (Oranien) und Brandenburg-Preussen verband. Auch mit Russland und dem Osmanischen Reich ging man keine Heiraten ein, obwohl es intensive Friedens- und Handelsabkommen zwischen Habsburg und Russland und – man denke an Passarowitz (1718 VII 21) und Belgrad (1739 IX 18) – auch mit dem Osmanischen Reich gegeben hat.
Die Romanovs sind auf dem europäischen Heiratsmarkt zwar nicht isoliert, verbanden sich aber vor 1800 nur mit den deutschen Fürstenhäusern Mecklenburg, Braunschweig-Wolfenbüttel, Hessen-Darmstadt und Württemberg sowie mit dem schwedischen Haus Holstein-Gottorf.[21]
Die aufeinander folgenden schwedischen Häuser Wasa, Pfalz-Zweibrücken, Hessen-Kassel, Holstein-Gottorf konzentrierten sich auf deutsche Fürstenhäuser, wie Sachsen(-Lauenburg), Baden(-Durlach), Pfalz, Holstein-Gottorp, Brandenburg, Hessen-Kassel, Pfalz-Sulzbach, Hessen-Darmstadt und Anhalt-Zerbst; doch schloss Schweden Ehen auch mit Polen, Österreich, Dänemark und Russland.
Ein weit verzweigtes europäisches Verwandtschaftsnetzwerk errichteten neben Habsburg auch England, Frankreich, Polen,[22] Sayoyen sowie die Medici.[23] Die Ehepartner der englischen Herrscher stammten aus Schottland, Dänemark, Portugal, Frankreich (Orléans), Burgund, den Niederlanden (Oranien), Polen und dem Deutschen Reich (der Pfalz, Hannover, Braunschweig-Lüneburg-Celle, Brandenburg-Ansbach, Sachsen-Gotha, Hessen-Kassel, Mecklenburg-Strelitz). Englische Herrscherfamilien verbanden sich nicht mit Spanien, Habsburg, Schweden, Russland, Savoyen und italienischen Häusern. Es ist auffällig, dass sich die Heiratspolitik der englischen Fürsten und Fürstinnen seit Georg I. mit der Thronbesteigung des Hauses Hannover auf die deutschen Adelsfamilien beschränkte.
Französische Fürsten und Fürstinnen (Valois, Bourbonen, Orléans) heirateten Ehepartner aus England, Spanien, Österreich, Polen, Lothringen, Bretagne, Navarra sowie italienscher (Savoyen, Este, Parma, Toskana/Medici) und deutscher Dynastien (Sachsen, Bayern, Pfalz, Baden). Ehen mit Portugal, Schweden, Dänemark und den Niederlanden (Oranien) wurden jedoch nicht abgeschlossen.
Vielfältige überregionale eheliche Verbindungen ging auch Polen ein, und zwar mit Österreich, Moskau, Spanien, Schweden, den deutschen Reichsständen (Sachsen, Brandenburg, Bayern, Pfalz) sowie den italienischen Staaten und Dynastien (Mailand/Sforza, Gonzaga). Doch heirateten polnische Fürsten und Fürstinnen niemals Mitglieder dänischer, portugiesischer, englischer und niederländischer (Oranien) Häuser.
Savoyen ging Heiraten mit Spanien, Frankreich, Lothringen, Burgund, deutschen (Bayern, Baden, Sachsen-Hildburghausen, Hessen) sowie italienischen Dynastien (Este/Modena, Gonzaga) ein. Die Medici vermählten sich mit Frankreich, Österreich, Lothringen, deutschen Reichsständen (Sachsen, Bayern, Pfalz) sowie mit italienischen Staaten (Parma, Mantua).
Unter den deutschen Fürstenhäusern gelang es vor allem den Häusern Bayern, Sachsen, Braunschweig und Pfalz, sich mit außerdeutschen Königs- und Fürstenhäusern zu liieren. Die hohe Präsenz der deutschen Dynastien auf dem europäischen Heiratsmarkt ist dabei signifikant. Deutsche Fürsten bestiegen nicht nur den englischen Thron, sondern auch den dänischen und schwedischen. Johannes Burkhardt meint, dass die deutschen Reichsstände gerade durch ihre internationalen dynastischen Beziehungen aktiv auf die europäische Friedens- und Sicherheitspolitik eingewirkt haben.[24]
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Zwei »Staaten« waren vom europäischen Heiratssystem ausgeschlossen: Die Eidgenossen waren nicht auf dem europäischen Heiratsmarkt präsent, weil ihnen dieses dynastische Instrument aus staatsrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung stand. Auch Ehen europäischer Häuser mit dem Osmanischen Reich wurden nicht geschlossen. Welchen Einfluss religiöse und kulturelle Barrieren auf dieses Phänomen hatten, müsste näher untersucht werden. Immerhin ist eine armenisch-byzantinische (venezianische) Ehe aus dem Jahr 1458 zwischen dem Turkmenen Uzun Hasan und Theodora Megale Komnena – einer unehelichen Tochter des Kaisers von Trapezunt Johannes IV. – überliefert.[25]
Trotz der vielen Bemühungen, durch dynastische Ehen Sicherheit und Nachhaltigkeit von Friedensschlüssen zu erreichen, war dieses politisch und völkerrechtlich gezielt eingesetzte Instrument ein sehr fragiles, wie die vielen Spannungen, Konflikte und Kriege der Frühen Neuzeit belegen.
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LiteraturBurkhardt, Johannes: Sprachen des Friedens und was sie verraten. Neue Fragen und Einsichten zu Karlowitz, Baden und »Neustadt«, in: Stefan Ehrenpreis u.a. (Hg.), Wege der Neuzeit. Festschrift für Heinz Schilling zum 65. Geburtstag, Berlin 2007 (Historische Forschungen 85), S. 503–519.
Duchhardt, Heinz (Hg.): Zwischenstaatliche Friedenswahrung in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln u.a. 1991.
Ders.: Die dynastische Heirat als politisches Signal, in: Mirosława Czarnecka u.a. (Hg.), Hochzeit als ritus und casus. Zu interkulturellen und multimedialen Präsentationsformen im Barock, Warschau 2001 (Orbis linguarum, Beihefte), S. 67–70.
Ders.: »Europa« als Begründungs- und Legitimationsformel in völkerrechtlichen Verträgen der Frühen Neuzeit, in: Wolfgang E. J. Weber u.a. (Hg.), Faszinierende Frühneuzeit. Reich, Frieden, Kultur und Kommunikation 1500–1800. Festschrift für Johannes Burkhardt zum 65. Geburtstag, Berlin 2008, S. 51–60.
Lesaffer, Randall: The three peace treaties of 1492–1493, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters (Hg.), Kalkül – Transfer – Symbol. Europäische Friedensverträge der Vormoderne, Mainz 2006–11–02 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Beihefte online 1), Abschnitt 41–52.
URL: http://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/01-2006.html (eingesehen am 4. August 2007).
Malettke, Klaus: Richelieus Außenpolitik und sein Projekt kollektiver Sicherheit, in: Peter Krüger (Hg.), Kontinuität und Wandel in der Staatenordnung der Neuzeit. Beiträge zur Geschichte des internationalen Systems, Marburg 1991 (Marburger Studien zur Neueren Geschichte 1), S. 47–68.
Moraw, Peter: Das Heiratsverhalten im hessischen Landgrafenhaus ca. 1300 bis ca. 1500 – auch vergleichend betrachtet, in: Walter Heinemeyer (Hg.), Hundert Jahre Historische Kommission für Hessen 1897–1997, Marburg 1997 (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 61), Teil 1, S. 115–140.
Niederkorn, Jan Paul: Die dynastische Politik der Habsburger im 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 8 (2007), S. 29–50.
Roll, Christine: Dynastie und dynastische Politik im Zarenreich. Befunde und Überlegungen zur Heiratspolitik der Romanovs im 17. und 18. Jahrhundert, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 8 (2007), S. 77–102.
Schnettger, Matthias: Geschichte einer Dekadenz? Die italienischen Dynastien im Europa der Frühen Neuzeit, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 8 (2007), S. 50–75.
Spieß, Karl-Heinz: Europa heiratet. Kommunikation und Kulturtransfer im Kontext europäischer Königsheiraten des Spätmittelalters, in: Rainer C. Schwinges u.a. (Hg.), Europa im Späten Mittelalter, München 2006 (Historische Zeitschrift, Beihefte 40), S. 435–464.
Tresp, Uwe: Eine »famose und grenzenlos mächtige Generation«. Dynastie und Heiratspolitik der Jagiellonen im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Europäische Geschichte 8 (2007), S. 3–28.
Weber, Hermann: Die Bedeutung der Dynastien für die europäischen Geschichte in der Frühen Neuzeit, in: Das Haus Wittelsbach und die europäischen Dynastien, München 1981 (Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 44/1), S. 5–32.
Weller, Tobias: Die Heiratspolitik des deutschen Hochadels im 12. Jahrhundert, Köln 2004 (Rheinisches Archiv 149).
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ANMERKUNGEN
[*] Martin Peters, Dr., Institut für Europäische Geschichte Mainz, Koordinator und Sprecher des DFG-Projekts »Europäische Friedensverträge der Vormoderne Online«.
[1] Malettke, Richelieus Außenpolitik 1991.
[2] Duchhardt, Zwischenstaatliche Friedenswahrung 1991.
[3] Besonders in der Mediävistik wurden bislang dynastische Heiraten untersucht, vgl.: Spieß, Europa heiratet 2006.
[4] Lesaffer, Three peace treaties 2006, hier: Abschnitt 49. Im Vertrag von Sablé (1488 VIII 20) verpflichtet sich Franz II. von Bretagne, seine Töchter nicht ohne Einwilligung des französischen Königs zu vermählen.
[5] Neuer Teilungsvertrag über das spanische Erbe von London und Den Haag 1700 III 3 und 1700 III 25, Zitat S. 15, Transkription von Andrea Weindl, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. November 2007).
[6] Vgl. Weller, Heiratspolitik 2004, S. 798 und 803.
[7] Heiratskonvention von Turin 1696 IX 15, Zitat S. 2, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. September 2007).
[8] Heiratsvertrag von Fontainebleau 1698 X 12, Zitat S. 2, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. September 2007).
[9] Heiratsvertrag von Paris 1721 XI 16, Zitat S. 1, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. September 2007).
[10] Heiratsvertrag von St. Petersburg 1710 VI 10/21, S. 3, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege (eingesehen am 24. November 2006).
[11] Zur Typologie von Heiratsverträgen und verschiedenen Sonderformen: Weber, Bedeutung der Dynastien 1981. Duchhardt, Dynastische Heirat 2001; Weller, Heiratspolitik 2004, S. 798 ff. Jetzt neu: Niederkorn, Dynastische Politik 2007.
[12] Moraw, Heiratsverhalten 1997.
[13] Vertrag von Île de Faisans (Pyrenäenfrieden) 1659 XI 7: Archiv des französischen Außenministeriums, Paris: Traités. Espagne 16590001: Traité de paix, dit ›traité des Pyrénées‹ (Ile des Faisans), Zitat S. 37 f., in: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (eingesehen am 16. November 2007).
[14] Weber, Bedeutung der Dynastien 1981.
[15] Heiratsvertrag von Île des Faisans 1659 XI 7, Zitat S. 8 f., in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. November 2007).
[16] Heiratsvertrag von Fontainebleau 1679 VIII 30, Zitat S. 1, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. November 2007).
[17] Heiratsvertrag von München 1680 I 27, Zitat S.15, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. November 2007).
[18] Heiratsvertrag von Paris 1720 II 11, Zitat S. 2, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters, http://www.ieg-mainz.de/friedensvertraege, mit Link zu: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (beide eingesehen am 16. November 2007).
[19] Heiratsvertrag von Versailles 1725 VIII 9: Archiv des französischen Außenministeriums, Paris: Traités. Pologne 17250004. Contrat de mariage entre Louis XV, roi de France, et Marie Leszczynska, princesse de Pologne. Versailles, 1725. 9 août, Zitat S. 1, in: Base Choiseul, https://pastel.diplomatie.gouv.fr/choiseul (eingesehen am 16. November 2007).
[20] Vgl. den Beitrag von Heinz Duchhardt in diesem online-Sammelband sowie Duchhardt, Europa als Legitimationsformel 2008.
[21] Roll, Dynastie und dynastische Politik 2007.
[22] Tresp, Dynastie und Heiratspolitik der Jagiellonen 2007.
[23] Zur Heiratspolitik italienischer Dynastien: Schnettger, Geschichte einer Dekadenz 2007.
[24] Burkhardt, Sprachen des Friedens 2007, hier S. 518.
[25] Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Peter Seelmann, M.A. (Mainz).
ZITIEREMPFEHLUNG
Martin Peters, Heiraten für den Frieden. Europäische Heiratsverträge als dynastische Friedensinstrumente der Vormoderne, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters (Hg.), Instrumente des Friedens. Vielfalt und Formen von Friedensverträgen im vormodernen Europa, Mainz 2008-06-25 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft online 3), Abschnitt 12–20.
URL: <http://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/03-2008.html>.
URN: <urn:nbn:de:0159-2008062408>.
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