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Peter Seelmann *


Inhaltsverzeichnis
»… zu einer Bestendigen rechten und heytern March gesetzt und benambset …« – Grenzen und Räume in Savoyen-Piemont

Gliederung: 1. Aktualität, Relevanz und grundsätzliche Fragen
2. Savoyen-Piemont – ein Grenzraum?
3. Forschungsstand und Kritik
4. Territoriale Grenzen – territoriale Räume
5. Flüsse als Grenze
6. Konkrete Grenzbeschreibungen
7. Grenzlinien und linear begrenzter Räume
8. Fazit
Literaturverzeichnis

Anmerkungen
Zitierempfehlung

Text:
1. Aktualität, Relevanz und grundsätzliche Fragen

»Spatial Turn« oder nicht, unbestreitbar ist, dass seit etwa 20 Jahren dem Raum als Erkenntniskategorie in den Geisteswissenschaften größtes Interesse entgegengebracht wird, wie die kaum noch überschaubaren Publikationen und zahlreichen Konferenzen bezeugen[1]. Impuls für dieses verstärkte Interesse gab unter anderem der Fall des »Eisernen Vorhangs«. Im Zuge dessen rückten Länder des »einstigen Ostens« in die Mitte Europas[2], wurden nationale Grenzziehungen in Frage gestellt und stand der europäische Einigungs- und Integrationsprozess vor neuen Herausforderungen. Es sind diese Veränderungen, die eine Neuorientierung verlangen und Fragen aufwerfen, wie sich nicht-nationale politische Räume im Vergleich zu nationalen politischen Räumen definieren, wie sie entstehen bzw. konstruiert werden und wie sie funktionieren. Welche Rolle spielen dabei andere, beispielsweise soziale, wirtschaftliche, kulturelle, religiöse bzw. konfessionelle, ethnische Räume und wie verlaufen ihre Grenzen? Wo werden solche Räume im Hinblick auf bestehende Nationalstaaten verortet, wie werden sie wahrgenommen, welchen Veränderungen sind sie unterworfen und schließlich welche Bedeutung haben sie bei der Konstruktion neuer Räume, z.B. der EU?

Zwar kann die Geschichtswissenschaft nur sehr bedingt Antworten auf die aktuellen Herausforderungen des sich bildenden und entwickelnden politischen Raums »Europa« geben, aber ihr kommt bei der Konstruktion einer Europäischen Geschichte bzw. für das Entwerfen neuer europäischer Geschichtsbilder eine zentrale Funktion zu. Was jedoch noch wichtiger ist: Sie kann und muss solche Entwürfe kritisch begleiten und kommentieren. Um diese Aufgaben wahrnehmen zu können, ist es von grundlegender Bedeutung historische Erfahrungen zu erschließen und zur Verfügung zu stellen, d.h. im konkreten Fall analoge Fragestellungen anhand früherer politischer Räume zu untersuchen.

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2. Savoyen-Piemont – ein Grenzraum?

Für derartige Fragestellungen erscheint der Herrschaftsraum der Herzöge von Savoyen[3] als geradezu ideal, auch wenn die jüngere Forschung darauf aufmerksam gemacht hat, dass der »stato di frontiera« nicht als exzeptioneller Sonderfall aufzufassen ist, sondern, wie zahlreiche frühneuzeitliche Staatswesen, aus einem mittelalterlichen Konglomerat von Rechten, Herrschaften und Privilegien, die eine Herrscherfamilie akkumulierte, gebildet und geformt wurde[4]. Trotz dieser zweifelsohne richtigen Feststellung, die zu einer relativierenden und zugleich kritischen Sicht auffordert, steht außer Frage, dass sich Savoyen-Piemont in vielerlei Hinsicht auch aus heutiger Perspektive als Grenzraum darstellt und zudem – was im Rahmen einer historischen Betrachtung nicht weniger wichtig ist – in der Vergangenheit als solcher begriffen wurde. Das Gebiet der Herzöge von Savoyen erstreckte sich dies- und jenseits des westlichen Alpenbogens. Es lag damit auf dem Rücken jenes Gebirges, das vor allem seit dem späten 18. Jahrhundert bis in die Mitte des 20. als »natürliche Grenze« zwischen Frankreich bzw. Deutschland und Italien in einem angeblich grenzsetzenden Sinne proklamiert wurde[5], ein Konzept, das bereits bei Zeitgenossen wie Friedrich Engels auf Kritik stieß[6]. Ob seiner geographischen, aber auch territorial-politischen Lage und der damit verbundenen Kontrolle der Alpenpässe bedachte die Historiographie Savoyen-Piemont mit griffigen Bezeichnungen wie »Seigneurie de route«, Grenz-, Puffer-, Pass- oder Sattelstaat, das Herrschergeschlecht selbst als »Portiers des Alpes«[7].

Grenzstaat war Savoyen-Piemont im politischen Sinne, weil es als Teil des Reiches an der Grenze zu Frankreich lag. Grenzstaat – noch besser passt hier der Begriff Grenzraum – war dieses Land aber auch, weil in ihm kulturelle und sprachliche Räume aneinanderstießen. So herrschten im Westen vor allem französische und im Osten italienische Dialekte vor, während es im Norden, wenn auch wenig ausgreifend, deutsche Sprachräume gab. Selbst heute haben sich trotz veränderter politischer Grenzen diese alten Sprachräume in Teilen erhalten, so dass die sprachlichen Grenzen keineswegs mit den nationalstaatlichen korrespondieren[8].

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Auch die Zuordnung zu den politisch-kulturellen, um nicht zu sagen »nationalen«, Großräumen ist alles andere als eindeutig. Bei einem Blick in frühneuzeitliche Literatur ist Savoyen, wie beispielsweise bei Martin Zeiller (1589–1661), mitunter als ein zu »Teutschland« gehörendes Herzogtum verzeichnet, bisweilen allerdings ohne das Reichsitalien zugerechnete Fürstentum Piemont, welches klar abgegrenzt wurde[9]. Dementsprechend nennt Zeiller – gleichwohl die Herzöge von Savoyen zu jener Zeit längst im piemontesischen Turin residierten – Chambery als »die Hauptstatt im Herzogthumb Savoya / welches von Mitternacht gränzet mit den Landschaften von Vaux, und Gez, so der Zeit Franckreich gehören / und dem Genffer See: von Morgen mit Piedmont, so aber auch Savoysch«[10]. Grund für diese Zuordnung Savoyens ist die besondere Bindung seiner Herrscher an das Reich. Seit 1361 Reichsfürsten, wurde den Grafen von Savoyen 1365 das Reichsvikariat für Arelat übertragen und seit der maximilianschen Reichsreform 1512/21 gehörten die inzwischen zu Herzögen aufgestiegenen Savoyer dem Oberrheinischen Reichskreis an. Zudem kultivierte das Haus Savoyen seit seiner Erhebung in den Herzogsstand 1416 die Legende, mit den Ottonen verwandt zu sein, verstand sich also als ein deutsches Fürstengeschlecht. Diese Selbstsicht, mit welcher der Vorrang vor den italienischen Fürsten begründet wurde, manifestiert sich auch heraldisch: So enthält beispielsweise das Wappen Emanuels Filiberts (1553–1580) heraldische Reminiszenzen an Sachsen, Westfalen, Enger und Meißen[11].

Zu Frankreich gab es hingegen neben engsten sprachlichen und kulturellen Bindungen auch dynastische. Solche Argumente, führte Frankreich neben historischen und juristischen ins Feld, um Ansprüche auf das Herzogtum bzw. Teile des Herzogtums zu erheben[12]. Zudem wurde Savoyen mit Rückgriff auf antike Vorstellungen auch geographisch Gallia zugeordnet. So setzt Sebastian Münster (1489–1552) in seiner Cosmographei die »Sophoier« mit den »Allobroges« gleich und verzeichnet sie unter Gallia, allerdings ohne die Zugehörigkeit zum Reich zu verschweigen. Durch Heinrich IV., so Münster, hätten sie »vom reich zuo eigen die verwaltung und die bevoegtung über […] die […] bisthumbmen […] Sitten / Losan[n] / Augst / Genff / und Granoble, do mit ward inen auch ein feder vom adler«[13].

Doch der Herrschaftsraum der Herzöge bestand nicht nur aus dem gleichnamigen Herzogtum, sondern eben auch aus dem Fürstentum Piemont, dem Herzogtum Aosta sowie zahlreichen anderen in Italien gelegene Territorien, so dass, wenn es um besagte Zuordnung zu einem Großraum geht, auch Italien zu nennen ist. Dies gilt umso mehr, nachdem Mitte des 16. Jahrhunderts Turin Hauptstadt jener Dynastie geworden war, unter der sich rund 300 Jahre später der italienische Nationalstaat formen sollte. Hinsichtlich der Hauptstadtverlegung erklärt Giuseppe Bastiano Malatesta um 1600:

»J Duchi di Sauia sono non più Francesi ma Jtaliani, per che lasciato già tanti anni l’asprezza, et sterilita d’oltra monti, habitano le deliciose, et fertilissime contade di Piemonte«[14].

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3. Forschungsstand und Kritik

Wenngleich Untersuchungen zu Savoyen-Piemont im Hinblick auf das Forschungsfeld Raum, Grenze und Grenzwahrnehmung vielversprechend erscheinen, fand dieser Herrschaftsraum in der deutschsprachigen Forschung nur wenig Beachtung, ungeachtet der Reichszugehörigkeit, der vergleichsweise guten Überlieferungssituation sowie der zahlreichen, vor allem regionalgeschichtlichen Arbeiten italienischer und französischer Historiker auf hohem Niveau[15]. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Publikationen, die im Rahmen des von Alessandro Pastore koordinierten Projekts Confini e frontiere nella storia. Spazi, società nell’Italia dell’età moderna[16] 2007 erschienen sind, sowie die Ergebnisse des mit EU-Mitteln geförderten Programms Interreg 1992–1996 – Le Alpi. Storia e prospettive di un territorio di frontiera[17]. Besondere Erwähnung verdient zudem der 1987 publizierte Sammelband La frontiera da Stato a Nazione. Doch auch bei diesen Veröffentlichungen wird dem 15. und frühen 16. Jahrhundert vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht, obgleich sich gerade zu jener Zeit das frühneuzeitliche Savoyen-Piemont als höchst heterogener und dynamischer Herrschaftsraum darstellt. Denn die durch Krankheit und frühen Tod der Regenten verursachte dynastische Krise, die seit der Reformation aufgebrochenen religiösen bzw. konfessionellen Gegensätze, die eidgenössischen Expansionsbestrebungen sowie der in Italien ausgetragenen Konflikt der Dynastien Habsburg und Valois stellten das Fürstenhaus vor besondere politische, militärische und diplomatische Herausforderungen, ja, drohten sogar seine Herrschaft zu vernichten[18]. Deshalb soll in vorliegender Betrachtung der Fokus auf diesen Zeitraum gerichtet sein, denn »Grenzen«, so konstatiert der Soziologe Mathias Bös, »werden erst durch ihre Überschreitung voll ins Bewusstsein gehoben«[19].

Diese allgemeine Aussage gilt im Speziellen auch bei der gewaltsamen Überschreitung von Grenzen, sprich Kriegen, die sowohl zwischen Souveränen aber auch innerhalb einer politischen Entität geführt werden können. Da mit solchen Konflikten auch das Bemühen einhergeht, diese zu unterbrechen oder zu beenden – sei es nun durch Herstellung eines wirklichen Ausgleichs oder durch die Bezwingung des Gegners – sind sie von Friedensschlüssen, Waffenstillständen aber auch Bündnisverträgen, Heiratsverträgen u.ä. flankiert. In Ihnen müssten je nach Konfliktursache Räume und ihre Grenzen benannt und definiert sein. Aufschlussreich dürften diese Quellen auch im Hinblick auf Durchlässigkeit, Linearität und Wahrnehmung frühneuzeitlicher Grenzen sein, Aspekte die schon länger in der historischen Forschung diskutiert werden und mit Axel Gotthards 2007 erschienenem Buch In der Ferne[20] neue Brisanz erhalten haben, wie sich erst kürzlich wieder auf der Tagung »Grenzen und Grenzüberschreitungen« im Rahmen des von Andreas Rutz gehaltenen Vortrags über Territoriale Grenzen gezeigt hat[21].

Beginnend mit der Regentschaft der savoyischen Herzogin Jolande von Frankreich (1469) und endend mit dem Restitutionsvertrag von Turin (1574) werden deshalb im Rahmen dieser Untersuchung Verträge ausgewertet, die Savoyen-Piemont betreffen und über die Mainzer Bilddatenbank http://www.ieg-friedensvertraege.de sowie über ältere Editionen[22] verfügbar sind. Die Auswertung der Quellen geschieht im Hinblick auf Grenz- und Raumbeschreibungen sowie entsprechende Begrifflichkeiten[23], wobei der Fokus auf das Territorium und den politischen Raum gelegt wird. Neben methodischen Argumenten spricht für den gewählten Ansatz auch die Tatsache, dass Friedensverträge[24] im Rahmen des hier behandelten Thema durchaus im Blickfeld der Forschung stehen, aber dennoch nicht umfassend ausgewertet sind. Bezeichnend hierfür ist die Äußerung von Claude Raffestin, der eine genaue Untersuchung von Friedensverträgen im Hinblick auf die Beschaffenheit von Grenzen zwar als Möglichkeit in Betracht zieht, aber ein solches Unternehmen für irrsinnig hält, zumal für ihn das Ergebnis offenbar schon feststeht:

»Uno studio minuzioso dei trattati – impresa folle sotto molti aspetti – permetterebbe, al momento degli accordi di pace, di seguire l’emergere della linearità nella definizione delle frontiere«[25].

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4. Territoriale Grenzen – territoriale Räume

Eine Ausgangsvermutung dieser Untersuchung war, dass in Friedensverträgen Grenzen konkret beschrieben seien, da es Teil des Wesens solcher Vereinbarungen ist, Gebietsstreitigkeiten bei- und Gebietszugehörigkeiten festzulegen. Umso mehr überrascht es, dass dies nur selten der Fall ist. Genannt werden vor allem Gebiete, so dass sich Formulierungen finden wie »in hiis scilicet limitibus, videlicet per dyoceses et episcopatus Sedun[ens]em, Lausan[nens]em et Geben[nens]em«[26] oder »extraneum et extra marchas et limites Ducatus Sabaudie«[27]. Gelegentlich sind die Gebietsaufzählungen aber auch detaillierter. So im Friedensvertrag von Cateau-Cambrésis, der 1559 zwischen der französischen und spanischen Krone geschlossen wurde. Gemäß einer der Vereinbarungen überlässt König Heinrich II. von Frankreich, nachdem der Herzog von Savoyen die Schwester des Königs, Margarete von Frankreich geheiratet hat

»[...] l’entiere & pleine possession paisible, tant du Duché de Savoye, Pais de Bresse, Bugey, Veromey, Morienne, Tarentaise, et Vicairie de Barcelonette, comme de la Principauté de Piémont, Comté d’Ast, Marquisat de Ceve, Comté de Coconas, & Terres de Lannes de Gatieres, & Terres de la Comté de Nice, delà du Var«[28].

Städte, Orte oder Befestigungen finden in solchen Verträgen gleichfalls Erwähnung, dann und wann auch mit dem dazugehörigen Umland. Im Schiedsvertrag von Lausanne (1564) wird beispielsweise die »Landtschafft Waat sampt der Jetzernenten Fleckhen und Herrschaften Niews, Vivis, Thun, Chillion und Rüwenstatt In Ihrem bezirckh und begriff, ouch in Ihren Anstossen, Limiten und Marchen […]«[29] genannt. Diese zuweilen kleinteilige Nennung von Territorien größerer Herrschaftsräume trägt der ins Mittelalter zurückreichenden Entstehung des frühneuzeitlichen Herrschaftsterritoriums Rechnung, das, so formuliert Achim Landwehr prägnant, aus »einer Addition rechtlich verbürgter Herrschaftskompetenzen über Personen, Kommunen oder Flächen« bestand[30].

Landwehr, der für das Venedig des 16. und 17. Jahrhunderts gleichfalls festgestellt hat, dass Grenzen eher selten eigentlicher Gegenstand herrschaftsrechtlicher Regelung waren, erklärt seinen Befund damit, dass sich ein frühneuzeitliches Territorium nicht als geschlossenes und rechtlich einheitlich erschlossenes Staatsgebiet darstellte, sondern aus einer Akkumulation von Herrschaftsrechten bestand. Diese hätten zwar eine räumliche Dimension, seien aber vor allem über die Inhalte, weniger über die Ränder räumlicher Zugriffsrechte bestimmt worden. Zudem bewirke diese Fragmentierung, dass Grenzen eines frühneuzeitlichen Territoriums nicht durchgängig gewesen seien, sondern sich aus einer Vielzahl einzelner Grenzabschnitte zusammengesetzt haben. Lediglich in Abschnitten, in denen es politisch notwendig oder wirtschaftlich vorteilhaft erschien, versuchte man Grenzen zu etablieren[31].

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Inhaltliche Bestimmung von Herrschaftsrechten, Addition von Herrschaftskompetenzen sowie damit einhergehende Stückelung des Territoriums in kleine Entitäten, sind bei der Behandlung frühneuzeitlicher Herrschaftsräume zweifelsohne nicht zu unterschätzende Aspekte, die auch von anderer Seite in der Forschung angeführt und hier nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden[32]. Im Gegenteil, sie können auch anhand der hier untersuchten Quellen belegt werden. Allerdings geben sie nur einen Teil der komplexen frühneuzeitlichen Realität wieder, die eben auch das kannte, was in der Forschung unter den Begriffen Territorialisierung von politischer Herrschaft[33] und staatliche Verdichtung[34] subsumiert wird, Prozesse, deren Beginn durchaus ins Mittelalter zurückreichen. Im Falle Savoyens ist sicherlich eine frühe Etappe dieses Prozesses auf das Jahr 1310 zu datieren, als Amedeus V. seine auch im politischen Sinne wenig homogene Grafschaft König Heinrich VII. schenkte, der diese zum Fürstentum erhob und 1313 rückübertrug, was Giovanni Tabacco 1965 treffend als »consecrazione ufficiale di uno stato territoriale già in via di organisazzione« bezeichnete[35].

Wenn aber personelle und territoriale Vorstellungen zwei Seiten einer frühneuzeitlichen Medaille sind, stellt sich die Frage, ob die Nennung eines Herrschaftsraums oder der darin enthaltenen kleineren Entitäten zwangsläufig die Vorstellung klar definierter, linear gedachter Grenzen ausschließt. Um das Problem mit einer provokanten und zugleich rhetorische Frage zu verdeutlichen: Schließt eine moderne Formulierung wie »in den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland« oder »Die gesamte Bundesrepublik, sowohl Bayern, Baden Württemberg ... usw. ... wie auch Berlin und Brandenburg ...« eine lineare Grenzvorstellung aus? – Natürlich nicht! Die Nennung konkreter Grenzen in völkerrechtlichen Verträgen ist auch in der Gegenwart, d.h. in einer Zeit, in welcher nationalstaatliche Grenzen vor allem linear gedacht werden und welche die technischen Möglichkeiten einer präzisen Kartographie besitzt, keineswegs notwendig. Entgegen Cornelia Jöchners Aussage, dass das frühneuzeitliche Territorium im Gegensatz zum späteren Nationalstaat stehe, »der seine Souveränität gerade aus einer durch exakte Grenzen definierte Landesfläche bezieht«[36], erklärt der Staatsrechtler Stefan Hobe:

»Während heute die Grenzen zwischen den staatlichen Hoheitsräumen typischerweise genau bestimmt sein werden, fordert das Völkerrecht für das Vorliegen von Staatlichkeit keine solche detaillierte Festlegung«[37].

Wenn dies aber für den modernen Staat gilt, ist im Umkehrschluss aus der Nennung eines Territoriums oder einer Teilherrschaft in frühneuzeitlichen Verträgen nicht zwangsläufig davon auszugehen, dass dies aufgrund mangelnder Konkretheit geschieht. Auch durch das Zusammenfügen von einzelnen konkret begrenzten Teilherrschaften, die sich wiederum aus kleineren Entitäten zusammensetzen, kann ein größeres Territorium erzeugt werden, das nach außen hin eine klar definierte Grenze besitzt. Eine solche (Zer-)Gliederung lässt sich bis in kleinste Einheiten, d.h. einzelne Grundstücke oder Äcker fortsetzen, was aufgrund der beschränkten Vermessungs- und Darstellungstechniken auch gar nicht anders machbar war. Dass Grenzen, die durchaus linear begriffen wurden, im kleinräumigen Maßstab bekannt waren, darf vorausgesetzt werden, denn ihre technische Fixierung bereitete selbst in mittelalterlicher Zeit kaum Schwierigkeiten und ihr Verlauf ist aus Urbaren, Weistümern, Bannbegehungen, zum Teil auch aus Kaufverträgen und ähnlichen Quellen bekannt[38].

Nun ist unbestritten, dass im frühneuzeitlichen Territorium parallele, oft konkurrierende rechtliche, politische und administrative Einheiten bestehen. Doch ist auch zu bedenken, dass dennoch der Souverän oder Landesfürst in vielen Fällen die Oberhoheit oder eine vergleichbare Machtkompetenz besaß[39]. Ausdrücklich heißt es beispielsweise im Schiedsvertrag von Lausanne (1564) im Hinblick auf die von Bern an den Herzog von Savoyen zu restituierenden Gebiete, dass

»alle derselben Heerschafften und Landen Inwonere und Underthanen der Hulldigungen und Eidts Pflichten, die Si Inen gethan haben mochtenn, ledigen und entschlachen, Und dieselben Heerschafften Jetzgehorter gstallten der Hochgenanten Fürstl. Duchl. zu Savoy Inrumen, ubergeben und zustellen sollen […]«[40].

Zudem konnte ein Souverän je nach politischem Geschick und Durchsetzungsfähigkeit auch die Herrschaft über Enklaven, die auf seinem Gebiet lagen, ausüben. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Besetzungen des Bischofsstuhls in der freien Stadt Genf während des 15. und frühen 16. Jahrhunderts, wodurch Personen, die den savoyischen Herzögen nahestanden – und das meist in einem verwandtschaftlichen Verhältnis – de facto die Stadtherrschaft ausübten. Auch widerspricht die Existenz von En- bzw. Exklaven keineswegs prinzipiell der klaren Umgrenzung eines Territoriums. Das belegen zumindest für die heutige Zeit der Vatikansstaat, San Marino oder die auf Schweizer Staatsgebiet gelegen Exklaven Büsingen (Deutschland) und Campione d’Italia, um nur einige zu nennen.

Nach diesen grundsätzlichen Überlegungen, stellt sich die Frage, wann Grenzen eines Territoriums oder einer Teilherrschaft konkret beschrieben wurden? Die Antwort ist nach dem Quellenbefund so eindeutig wie banal: Immer dann, wenn es notwendig war, das heißt, wenn aufgrund von Teilung bzw. Neudefinition eines Gebiets oder Grenz-, nicht unbedingt Gebietsstreitigkeiten (!), die Definition der Grenze(n) unerlässlich wurde. Dabei taucht der Grenzbegriff oder sein Äquivalent oft gar nicht auf, sondern nur die Beschreibung der Grenzlinie.

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5. Flüsse als Grenze

Der Heiratsvertrag zwischen Karl I. von Savoyen und Bianca von Montferrat (1485) ist trotz seiner Ambivalenz ein Beispiel hierfür[41]. Neben einer Mitgift von 80000 Dukaten wird der Braut zusätzlich, falls ihr Onkel Markgraf Bonifazius III. von Montferrat ohne männliche Nachkommen sterben sollte, »omnes terras loca jurisdictiones, homagia, superioritates et Jura quae habet ultra Padum« in Aussicht gestellt[42]. Ausdrücklich behält sich jedoch der Markgraf weiterhin zu seiner freien Verfügung vor

»reliquum dominii[43] Marchionatus, videlicet civitates castra terras loca jurisdictiones iura et dominia mediata et i[m]mediata existentes et existentia citra Padum ubicumq[ue], et tam in Monteferrato quam in partibus ultratanagru[m] et in quibuscu[m]q[ue] aliis p[ar]tibus«[44].

Während zunächst in allgemeiner Form Grundstücke, Orte und Herrschaftskompentenzen genannt werden und eine räumliche Dimension nur wage zu erkennen ist, wird später vom Rest der markgräflichen Herrschaft gesprochen und zwar diesseits, d.h. rechts des Pos oder sonst wo, sowohl in Montferrat als auch jenen Teilen jenseits, d.h. rechts des Tanero und in anderen Teilen. Montferrat wird hier eindeutig als Gebietsbezeichnung im Rahmen einer Beschreibung gebraucht. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Grenzen dieses Gebiets bekannt sind. Es stellt sich allerdings die Frage, warum ausgerechnet dieses Gebiet explizit genannt werden musste. Wenn es lediglich um das Herrschaftsrecht gegangen wäre, hätte es ausgereicht festzulegen, dass Orte, Rechte, Herrschaft usw. links des Pos an Bianca gehen sollen, ansonsten aber alles rechts des Pos durch den Vertrag nicht berührt wird. Grund für die genaue Formulierung sind die Ansprüche, welche Savoyen seit dem Geheimvertrag von Thonon 1432 im Hinblick auf Montferrat anmeldete. Damals erklärte sich der massiv bedrängte Markgraf Giangiacomo Paläologos bereit, Amadeus VIII. von Savoyen als Gegenleistung für die Rückgabe seiner von Mailand und Savoyen besetzten Territorien, die Markgrafschaft Montferrat abzutreten, und zwar das Gebiet links des Pos wie auch links des Tanaros. Amadeus VIII. wiederum sollte dann dieses Territorium dem Thronfolger Johann von Montferrat zu Lehen geben. Ob des Vertrags, der letztlich nicht eingehalten wurde, kam es in der Folgezeit zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen den Kontrahenten[45]. Um eventuellen Ansprüchen aus dem Vertrag von Thonon entgegenzutreten, war es folglich seitens des Markgrafen Bonifazius notwendig, unmissverständlich klar zu machen, dass nur links des Pos die Oberhoheit (superioritas) über Montferrat auf Bianca übertragen werden soll. Alle andere Herrschaftsrechte, insbesondere die über den zwischen Po und Tanero gelegenen Teil von Montferrat, bleiben weiterhin in der Verfügungsgewalt Bonifazius’. Im Prinzip geht es hier um die Teilung des ursprünglichen Gebiets der Markgrafschaft, deren Grenzen offensichtlich als bekannt vorausgesetzt wurden; neu zu definieren war deshalb nur der Grenzverlauf, der durch die Teilung entstand.

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Auch in der bereits zitierten Passage aus dem Vertrag von Cateau-Cambrésis findet sich die Nennung eines Grenzflusses. Nach einer einfachen Aufzählung verschiedener zu restituierenden savoyischen Territorien, werden am Ende die »Terres de la Comté de Nice« genannt und zwar »delà du Var«[46]. Die Notwendigkeit eine Grenzlinie zu nennen, um Missverständnissen oder Ansprüchen vorzubeugen, bestand auch in diesem Fall. Denn Nizza war einst Teil der Provence und kam 1388 gemeinsam mit dem dazugehörigen Gebiet sowie der Grafschaft Beuil an Savoyen, während die übrige Provence 1481 an Frankreich ging und somit aus dem Heiligen Römischen Reich ausschied[47]. Der Erwerb der »Terra nova Provinciae in partibus Niciae et aliis locis provinciae«[48], der künftigen Grafschaft Nizzas[49], durch die Herzöge von Savoyen war eine Zäsur, die laut Joseph Napoléon Fervel (1811–1877) »coûtera quatre cents ans de guerre sur le Var«[50]. Auch Wilhelm Heinrich Schinz bemerkt 1842:

»In der That lässt sich der Küstenstrich von Antibes bis Nizza nur künstlich trennen, daher auch in älterer Zeit Nizza nicht sowohl als eine italienische, sondern mehr als eine zwischen Italien und der Provence liegende Stadt betrachtet und Nizza di Provenza genannt wurde«[51].

Auf der anderen Seite kannte bereits Petrarca im Rückgriff auf die Antike den Var als Grenzfluss zwischen »Frankreich« und »Italien«[52]. Er schreibt 1336 an den Dominikaner Giovanni Colonna:

»Eine ungemein lästige Verzögerung, so schreibst Du recht entrüstet, habest du in Nizza erlebt und einen ganzen Monat lang darauf gewartet, dass dich irgendein Schiff nach Italien bringe. Und doch bist Du, während Du Dich nach Italien sehntest, bereits in Italien gewesen, so sage ich, wenn wirklich – gemäss der Auffassung der Dichter und der Kosmographen – der Fluss Varo die Grenze Italiens bildet«[53].

Anhand des Gezeigten, dürfte deutlich geworden sein, dass auch im Falle Nizzas als ehemaliger Teil der Grafschaft Provence und aufgrund der währenden Differenzen um die westliche Grenzziehung eine einfache territoriale Nennung im Vertrag nicht eindeutig gewesen wäre.

Die bisherigen Beispiele deuten darauf hin, dass die Nennung von Herrschaftsräumen meist ausreichend war und deren Grenzen, weil bekannt, nur in seltenen Fällen beschrieben werden mussten. Allerdings handelt es sich nicht um Grenzbeschreibungen im eigentlichen Sinne, sondern um Kurznennungen von Grenzverläufen, die deshalb genügten, weil sie einem Flusslauf folgten. Anders verhält sich das bei dem bereits mehrmals erwähnten Lausanner Schiedsvertrag.

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6. Konkrete Grenzbeschreibungen

Der 1564 zwischen Savoyen und Bern geschlossene Lausanner Schiedsvertrag ist ein wahrer Quell konkreter, linearer Grenzbeschreibungen. Geschlossen wurde er im Beisein französischer und spanischer Gesandter unter Mediation von elf der dreizehn eidgenössischen Orte. Bern als Kontrahent sowie Freiburg fehlten. Vertragsgegenstand war im weiteren Sinn die Beilegung der seit rund hundert Jahren währenden Territorialstreitigkeiten zwischen Bern und Savoyen, im engeren Sinn die Rückgabe eines Teils der im Jahre 1536 von der Stadt Bern eroberten savoyischen Länder. Nach einer sehr ausführlichen Einleitung, welche die Geschichte der Verhandlungen seit 1560 dokumentiert[54], folgen dann die eigentlichen Vertragspunkte. Sie beginnen zunächst mit zwei grundlegenden Bestimmungen ohne Nummerierung[55] und werden dann mit zwanzig präzisierenden, nummerierten Artikeln fortgesetzt[56].

Entsprechend der Hauptbestimmung sollen Pays de Gex vollständig sowie die jenseits, d.h. südlich des Genfer Sees und der Rhone gelegenen Gebiete des Chablais und das Genvois an den Herzog zurückgegeben werden. Dagegen soll die Landschaft Waadt, die Herrschaft und Vogtei Nyon sowie die Flecken und Herrschaften Vevey, Tour-de-Peilz, Chillon, Villeneuve in »Ihrem Bezirckh und Begriff, ouch In Iren anstossen, Limiten und Marchen […] Denselben Herren der Statt Berrn alls Ir recht eygenthumb plieben«[57].

Der Genfer See, den bereits Sebastian Münsters Cosmographei »ein Scheidmauer zwüschen den Helvetiern und […] Saphoier«[58] nennt, wird Grenzgewässer. Die Rechte an ihm sollen sich gemäß Artikel 20 beide Vertragspartner entsprechend der von ihnen gehaltenen Herrschaften und Flecken teilen, d.h. die Grenzen zwischen zwei Territorien setzen sich im Wasser bis zur Gewässermitte hin fort. Es handelt sich hierbei um ein frühes Beispiel für eine Grenzziehung, in dem ein Gewässer nach dem auch heute noch im internationalen Recht gültigen Prinzip der Proportionalität geteilt wurde. Dieses Prinzip, das erst ca. hundert Jahre später durch Samuel von Pufendorf (1632–1694) abstrahiert und konkret ausformuliert wurde, sollte im 19./20. Jahrhundert maßgeblich für die Ziehung von Seegrenzen werden[59]. Doch wird nicht nur die der Uferlänge entsprechende Breite des Gewässerabschnitts, die jeder Vertragsparnter innehaben soll, festgelegt, sondern auch, wie weit in den See sich das »Gebiet« erstreckt. Die »mitte des Sews« soll aber, so heißt es weiter im Lausanner Schiedsvertrag,

»gegen yedentheils daranstoßender und gelegner Landen und Herrschaften, so wyt die In Irem zirckh un begriff reichen, zu einer bestendigen / rechten und heytern March gesetzt und benambsset sin«[60].

Nun könnte, wie bei Sebastian Münster, der den gesamten See als Scheidmauer bezeichnet, mit dem im Vertragswerk verwendeten Begriff »Mark« ein Grenzsaum gemeint sein. Dem widerspricht jedoch zum einen das Adjektiv »heiter« im Sinne von »klar«, »eindeutig«, zum anderen die weitere Bestimmung der Grenzlinie »zu verhütung künfftiger Spennen und Irthumben«[61]. Dieser Bestimmung zufolge setzt die Grenzlinie »von der mitte des Sews richtig ze Landt In ein Pfad oder weg zu Braillies«[62] zwischen Coppet und Versoix fort. Über eineinhalb Seiten wird dann der konkrete Grenzverlauf zwischen dem Pays de Gex und der Waadt samt Nyon beschrieben. Zum Teil werden dabei Wege und Flussläufe als Grenze genannt. Dabei bleibt unklar, ob diese durch eine abstrakte Mittellinie geteilt werden oder ob sie als neutraler »Grenzstreifen« wahrgenommen werden. Selbst wenn letzteres zuträfe, scheint es jedoch aufgrund der geringen Breite dieser Grenzstreifen übertrieben, von einem Grenzsaum zu sprechen, zumal die Linearität der Grenzlinie an anderer Stelle wieder sehr deutlich hervortritt. So heißt es zum Beispiel: »Hus und guter eines Landtmans, Arcangier genant, so Bysenhalb gelegen, plibend samt der großen Straß obstat in der Waat […].« Und an anderer Stelle ist zu lesen:

»An wellichem Ort […] gat die March durch dieselbe große Landtstraß Bysenhalb bis under die Brugck Crassiers Sews halb […] so uber das Wasser gat, Le Boyron genant, Da dieselb gemein straß windtshalb gegen demselben wasser Le Boyron In der Heerschafft Gex plibt, Und was Sews und Bysenhalb ist, In der Waat«[63].

Offensichtlich werden selbst Straßen, denen der Grenzverlauf folgt, eindeutig einer Herrschaft zugeordnet, so dass von einer linearen Grenzvorstellung auszugehen ist. Sogar bei der Beschreibung des Grenzverlaufs anhand von Wäldern bleibt die Vorstellung linear und der Wald wird einer Herrschaft zugesprochen:»[…] und wieder uß dem wasser des Boyrons gat Si [die March] an und zwüschen einen Holltz hin, genant Recredoz, wollich Holltz […] In der Waat soll bliben«[64].

Ein anders Beispiel für einen Vertrag, in dem ein Grenzabschnitt aufgrund einer Gebietsteilung konkret beschrieben werden muss und der zudem in engem Zusammenhang mit dem vorherigen Vertrag steht, ist der 1569 zwischen Savoyen-Piemont und dem Wallis geschlossene Bündnisvertrag von Thonon. Bei ihm handelt es sich um eine Erneuerung der Allianz von 1528 sowie um die partielle Restitution der von den sieben Zenden des Wallis 1535/36 besetzten Gebiete. Hintergrund hierfür war die Okkupation des savoyischen Waadtlands sowie der Stadt Genf durch das reformierte Bern. Als Berner Truppen nun weiter ins Chablais vorzustoßen drohten, baten die 43 Gemeinden östlich der Dranse von Monthey bis Evian, welche unter der stark bedrängten savoyischen Herrschaft standen, die katholischen Walliser möchten sie besetzen, damit sie bei ihrem katholischen Glauben bleiben könnten. Sobald jedoch ihr Fürst wieder über seine Lande verfügen würde, wollten sie unter seine Herrschaft zurückkehren. Die Sieben Zenden kamen der Bitte gerne nach, da sie wenig Interesse hatten, von zwei Seiten von der Berner Herrschaft umschlossen zu werden, und darüber hinaus auf Gebietszuwachs hofften. Sie wollten die besetzten Gebiete allerdings erst an Savoyen zurückzugeben, wenn Bern dies ebenfalls tun würde. Als mit dem Lausanner Schiedsvertrag Bern nun die Gebiete südlich des Genfersees an Savoyen restituierte, weigerten sich die Walliser zunächst, ihr Versprechen einzulösen. Erst mit dem Bündnisvertrag von Thonon, kam es zu einer Einigung: Die Landvogteien Evian und das Hochtal erhielt Savoyen zurück, während die Landvogtei Monthey, welche dem Wallis den Zugang zum Genfersee sicherte, Untertanenland der Sieben Zenden blieb[65]. Entsprechend ist der Grenzverlauf beschrieben:

»Dicti Domini septe[m] Desenorum patriae Vallesii restituent et remittent effectuabliliter dicto Serenissimo Domino Duci Gubernamentum Aquiani a ponte Dranciae usq[ue] ad finem pontis S[anc]ti Gingolphi et aquam nuncupatum de la Morge transeuntem subtus dictum pontem inclusive: sic quod pons et aqua erunt et pertinebunt integre dicto Serenissimo Domino Duci et suis Successoribus cum omnibus et quibuscunq[ue] Juribus et pertinetiis dictarum patriarum restituendarum, sine aliqua retensione et reservatione«[66].

Der Herzog hingegen überlässt den Wallisern »sine reservatione aliqua In gubernamento et ressortu Montheoli a fine pontis Sacti Gingolphi ultra, tam in planis quam In montibus et lacu[…]«[67]. Die Morge wird Grenzfluss, wobei die Rechte an dem Gewässer des Herzogs sind, womit erneut ein Grenzfluss einer Herrschaft zugeordnet wird, so dass die eigentliche Grenze aus einer gedachten Linie jenseits des Flusses entlang dessen Lauf besteht.

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7. Grenzlinien und linear begrenzter Räume

Eine Ausgangsüberlegung war, dass die Nennung von Herrschaften und Orten nicht unbedingt aufgrund des Mangels an konkreten, linearen Grenzverläufen erfolgt sein muss[68]. Wie kompliziert und umständlich sich eine konkrete Grenzbeschreibung darstellen kann, hat der Lausanner Schiedsvertrag, von dem hier nur kleine Fragmente wiedergegeben wurden, gezeigt. Im Vergleich hierzu ist es weit einfacher, ökonomischer und zugleich nicht weniger genau, wenn Herrschaften, Orte mit ihrem Territorium oder vergleichbaren Entitäten genannt werden, stets vorausgesetzt, dass deren Grenzen bekannt sind. Dass so verfahren wurde, darauf weisen die bisher genannten Beispiele hin. Sie zeigen, dass Grenzverläufe in den Friedensverträgen nur dann Erwähnung fanden, wenn sie umstritten oder unklar waren bzw. neu definiert wurden. Doch letztlich fehlt bisher noch ein konkreter Beleg, dass die Nennung von Gebieten ebenso präzise sein konnte, wie die Beschreibung von konkreten Grenzverläufen. Dass dem tatsächlich so ist, zeigen zwei Bündnisverträge, die zwischen dem Herzog von Savoyen einerseits und Mitgliedern der Eidgenossenschaft andererseits geschlossen wurden.

In der Berner Bündniserneuerung von 1477[69]  verpflichtet sich Jolande von Frankreich, Herzogin von Savoyen, als Vormund und im Namen ihres Sohnes bei einem entsprechenden Hilfegesuch innerhalb eines Monats Bern und Freiburg (Schweiz) gegen Angreifer beizustehen und zwar in

»[…] hiis scilicet limitibus, Videlicet tendendo ab urbe Bernen[si] vel Friburgen[si] usq[ue] ad Thuregum, sequendo flumen vulgo Limmagd nuncupatum et usq[ue] ad flumen Ararum, Inde tenendo ad montem vulgo Howenstein, et de hinc ad petram dictam pierre pertuis […]«[70].

Im korrespondierenden Artikel, der Bern und Freiburg in gleicher Weise zur militärischen Hilfe verpflichtet und der vergleichbar formuliert ist, heißt es hingegen lediglich »in hiis scilicet limitibus, videlicet per dyoceses et episcopatus Sedun[ens]em, Lausan[nens]em et Geben[nens]em ubicumq[ue] […]«[71].

Während der in Savoyen-Piemont liegende Verteidigungsraum durch die Nennung der Diözesen Sitten, Lausanne und Genf, ausreichend präzise beschreiben werden kann, ist das für den bernisch-freiburgischen Verteidigungsraum nicht ohne weiteres möglich, da dieser über das Territorium der beiden Städte hinausreicht. Den komplexen Herrschaftsverhältnissen in der Eidgenossenschaft, die sich aus den eigentlichen Mitgliedsorten[72], deren jeweiligen Untertanengebieten sowie den zugewandten Orten und den gemeinen Herrschaften zusammensetzte, wird damit Rechnung getragen. Das gleiche gilt für den Bündnisvertrag von Solothurn aus dem Jahre 1502[73]. Dieser nennt für den savoyischen Verteidigungsraum erneut die drei besagten Diözesen.[74]. Dagegen wird zuvor für den Solothurner Verteidigungsraum der Lauf der Verteidigunslinie definiert:

»[…] hiis scilicet limitib[u]s, videlicet ab urbe Solodoren[si] In et ad dominia n[ost]ra Baechburg, Olten, Gösken, Erlispach, Werd, Kyemberg, Büren, Dornegk, Pfeffingen, Tierstein, Valkenstein usque ad fontem Aure, vulagri theutonico Genssbrunnen appellatu[m], et ab eod[em] fonte montem Jecoris vulgo den Lebern, usq[ue] ad oppidum Biennensem, vulgo Byel nu[n]cupat[um] sequendo […]«[75].

Weshalb in beiden Fällen hinsichtlich des eidgenössischen Verteidigungsraums nur die westliche und nordwestliche Verteidigungslinie beschrieben wird, erklärt sich aus der Tatsache, dass nur aus dieser Richtung Angriffe zu erwarten waren; östlich und südlich grenzten an besagte Orte verbündete Herrschaften an. Von zentraler Bedeutung ist jedoch bei diesen beiden Bespielen, dass lineare Grenzen – in diesem Falle Verteidigungslinien – und Teilherrschaften im gleichen Kontext genannt werden. Da auszuschließen ist, dass im Hinblick auf die Verteidigungslinien in ein und dem selben Vertrag unterschiedliche Grenzvorstellungen existiert haben, lassen sich die beiden Bündnisverträge als eindeutiger Beleg anführen, dass die Nennung von Herrschaften oder Teilherrschaften durchaus mit der Vorstellung von konkreten und linearen Grenzen einhergegangen war.

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8. Fazit

Die hier vorliegende Betrachtung, die lediglich den kleinen Aspekt Herrschaftsräume und territoriale Grenzen in Savoyen-Piemont beleuchtet hat, zeigt bereits, welches Potenzial der sorgfältigen Analyse von Friedensverträgen als Quelle für die Grenz- und Raumforschung innewohnt. Als grundlegende Erkenntnis kann festgehalten werden, dass die räumliche Dimension für das Verständnis frühneuzeitlicher Territorien nicht zu unterschätzen ist, auch wenn diese in kleine und kleinste Entitäten gegliedert waren. Herrschaftsräume und deren Umgrenzung unterliegen zum großen Teil sehr konkreten Vorstellungen, sind allerdings auch häufig sehr komplex aufgrund des besonderen Charakters frühneuzeitlicher Territorien. Dementsprechend kann Christine Rolls These[76], dass die Frühe Neuzeit als eine Epoche besonders komplexer und dynamischer Grenzen zu gelten habe, im Falle dieser freilich zeitlich und räumlich stark begrenzten Untersuchung bestätigt werden. Das Nennen von Territorien und Teilherrschaften ist schließlich weniger darauf zurückzuführen, dass die Ränder räumlicher Zugriffsrechte nur geringe Relevanz gehabt hätten, sondern kann vielmehr als eine Ökonomisierung von oft komplexen Grenzbeschreibungen gesehen werden. Zumindest die hier untersuchten Quellen belegen, dass die Zeitgenossen nicht nur im Lausanner Schiedsvertrag Wert auf eine »bestendige, rechte und heytere March« legten.

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ANMERKUNGEN

[*] Peter Seelmann, M.A., Institut für Europäische Geschichte, Mainz.

[1] Allein in der historischen Informations- und Kommunikationsplattform H-Soz-u-Kult werden zwölf Tagungen besprochen, die 2009 stattfanden und dezidiert den Themenkomplex Raum, Grenze und »Spatial Turn« ins Zentrum ihres Interesses stellen. Bezeichnend ist auch, dass 2010 die 2. Schweizerischen Geschichtstage ebenso wie auch der 48. Deutsche Historikertag unter das Thema »Grenzen« gestellt sind.

[2] Über die Wahrnehmung und Zuordnung von Räumen sowie kognitive Landkarten bietet das im Rahmen der Zeitschrift Geschichte und Gesellschaft erschienene Heft Conrad (Hg.), Mental Maps 2002 einen guten Überblick. Besonders hervorgehoben seien in diesem Kontext der Beitrag von Hans-Dietrich Schulz (S. 343–377) und der Literaturbericht von Frithjof Benjamin Schenk (S. 493–514).

[3] Dieser Herrschaftsraum der Herzöge von Savoyen in Bezug auf das gesamte Territorium wird künftig als Savoyen-Piemont bezeichnet. Zum Problem der Benennung siehe auch Zwierlein, Discorso 2006, S. 299.

[4] In Bezugnahme auf den Sammelband Ossola u.a. (Hg.), La frontiera 1987 schreibt Raviola, Introduzione 2007, S. 9: »A lettura ultimata dei vari saggi, la sensazione è che, pur senza intenzioni programmatiche, gli autori siano lasciato alle spalle l’ancora saldo pregiudizio di un Piemonte Stato di frontiera per eccellenza e in quanto tale differente, anomalo, eccezionale.« Wenngleich Raviola diese Aussage aufgrund des Referenzwerks, in dem laut Titel lediglich der Fall Piemont untersucht wird, nur für das Piemont trifft, kann sie auf den gesamten savoyischen Herrschaftsraum bezogen werden.

[5] Dass Grenzlinien für politische Entitäten vom Menschen gemacht und nicht natürlich durch topographische oder geografische Gegebenheiten (Gebirge, Flüsse usw.), die ja selbst auch Veränderungen unterliegen, gegeben sind, gilt in der neueren Forschung als Konsens. Vgl. hierzu Heller/Niemeyer, Staatslehre 1983, S. 162–163; Raffestin, L’evoluzione 1987, S. 102 und Landwehr, Raum 2006, S. 54–55, der jedoch darauf aufmerksam macht, das diesem Konzept des Grenzenmachens das frühneuzeitliche Konzept des Grenzenfindens gegenübersteht. Schmale, Grenze 1998, S. 58–59 weist darauf hin, dass erst im späten 18. Jahrhundert »natürliche Grenzen« als gegeben und nicht verhandelbar begriffen wurden, wenngleich sie wegen ihrer visuellen Zweckmäßigkeit durchaus bereits zuvor zu finden sind, dann allerdings ausdrücklich im Rahmen einer vertraglicher Vereinbarung.

[6] Bereits 1860 polemisierte Friedrich Engels, Savoyen 1915, [2. Abhandlung], S. 3–4, 10–11 gegen die Vorstellung von natürlichen Grenzen, auf die Frankreich und Österreichs in Bezug auf die Grenzziehung zu Italien zurückgriffen. Auf S. 11 schreibt er: »Jetzt begannen die widerwärtigen Manöver bonapartischer Agenten in Savoyen und Nizza und das Geschrei der bezahlten Pariser Presse, die piemontesische Regierung unterdrücke den Volkswillen in diesen Provinzen, der laut nach Anschluss an Frankreich rufe; jetzt endlich wurde es in Paris offen ausgesprochen, die Alpen seien die natürliche Grenze Frankreichs, Frankreich habe ein Recht auf sie.« Im Folgenden führt Engels diese Behauptung ad absurdum, indem er ein weiteres Argument der Befürworter für den Anschluss an Frankreich aufgreift, nämlich die (süd)französische Sprache Savoyens: Diese, so kontert Engels, werde allerdings auch in den oberen Tälern östlich des Alpenkamms gesprochen.

[7] Den auf Bernard Bligny zurückgehenden Begriff »Seigneurie de route« zitiert Mayer, Staatsgrenze und Völkerbrücke 1965, S. 11. Die Bezeichnung Grenzsstaat findet sich bei Just, Das Haus Savoyen 1940, S. 5, 20. Ricuperati, Frontiere 2007, S. 31 spricht von einem »territorio di frontiera«, kritisch hierzu Raviola, Introduzione 2007, S. 9. Die Funktion Savoyens als Pufferstaat sehen u.a. Greyerz, Nation 1953, S. 19 und Burckhardt, Gesammelte Werke I 1971, S. 324. Vom Sattel- oder Passstaat spricht ebenfalls Just, Das Haus Savoyen 1940, S. 6–7. In Bezug auf Sattelstaat greift er offenbar auf eine Formulierung von Cesare Balbo, Delle speranze 1844, S. 67 zurück, nämlich »que’ prinicipi s’eran tenuti come a cavallo dell’Alpi.« Der von Friedrich Ratzel geprägt Begriff Passstaat findet sich zudem bei Pichard Sardet, Grosser Sankt Bernhard 2009, Kap. 2., Bätzing, Alpenlexikon 1997, S. 184–185 und Bätzing, Alpen 2003, S. 113–114, 377, FN 104, 105, dort wird er allerdings in Anführungszeichen gesetzt bzw. erläutert. Le Roy Ladurie, Histoire 2001, S. 220, 226 ist es, der die Dynastie der Savoyer »Portiers des Alpes« nennt. Allerdings macht Cerino Badone, I portinai 2004, S. 105 darauf aufmerksam, dass er bereits im Zusammenhang mit dem König von Sardinien-Piemont im 3. Band der 1823 erschienenen Memoiren Napoleons verwendet wird. Jöchner, Außenhalt 2003, S. 73 benutzt den englischen Ausdruck »gatekeeper« und setzt diesen in Gegensatz zu »Paß-Staat«, um die durch die Hauptstadtverlegung bedingte, angeblich veränderte strategische Rolle Savoyen-Piemonts zum Ausdruck zu bringen. Es gilt allerdings zu bedenken, dass zwar eine sprachliche, möglicherweise auch kulturelle Neuausrichtung unbestreitbar sind, sich aber das Herrschaftsgebiet trotz Gebietsverlusten weiterhin auf beide Seiten der Alpen erstreckte. Folglich bilden die beiden Begriffe zumindest vom 16. bis ins 18. Jahrhundert keinen Gegensatz.

[8] Vgl. Tuaillon, Frontiere linguistiche 1987, S. 222–223.

[9] Zeiller, Tractatus 1660, S. 625, 643–644, 687. Bereits in der 1532 anonym verfassten Aufstellung der Reichskreise – O.A., Hernach volgend 1532 – ist Savoyen unter der Rubrik »Reynisch Krayß« genannt, allerdings sind dort Begriffe wie Deutsch, deutsche Nation o.ä. nicht zu finden.

[10] Zeiller, Tractatus 1660, S. 687. Siehe auch ders., Itinerarii Germaniae 1662, S. 383–391, bes. S. 384–385. Hier erklärt der Autor, dass, obwohl die Herzöge in Turin residieren, Chambery die Hauptstadt Savoyens sei, weil »da die Regierung / und das Parlament / oder CammerGericht ist.« Zudem ist erwähnenswert, dass Savoyen im Itinerarii Germaniae als zu »Deutschland« zugehörig ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Die italienischen Herrschaften hingegen, die gleichfalls zum Reich aber nicht zu »Deutschland« gehören, finden bestenfalls kurze Erwähnung. So verweist Zeiller im Falle Venedig (Vgl. ebd. S. 484, 509) auf das vom gleichen Autor verfasste Itinerario Italiae. Ähnlich auch Tromsdorff, Geographie 1711, S. 232–233: »Das Herzogthum a) Savoyen/ Sabaudieae Durcatus, ist vom Kayser Sigismundo An. 1417. mit dem Herzoghums-Titul beehret worden / und gränzet […] gegen Morgen an da Walliser-Land und das Herzogthum Piedmont […]. Cambery, Chamberiacum, die Haupt-Stadt dieses Herzogthums / am Laise-Fluss / 18. M[eilen] von Leyden / 27. von Turin […] hat ein berühmt Herzogl. Schloß.«

[11] Gentile, Lo stemma 2007, s.p. [nach S. LI]. Hinweise auf die ottonische Abstammung der Savoyer siehe auch Münster, Cosmographei 1555, S. CX: »[…] Saphoy / ist also mit der zeit ire herrschafft zu einer grossen graveschaft erwachsen / weliche graven[n] sollen ir ab kom[m]en haben von keyser Otten dem anderen.«

[12] Externbrink, Le Coeur 1999, S. 190–201.

[13] Münster, Cosmographei 1555, S. CXI.

[14] Extrakt aus Giuseppe Bastiano Malatesta: Storie universali de’ tempi nostri (ASTO, matrimoni, mazzo: 20, Fasc.: 4 Carlo Eman. I.o di Savoja e l'Infanta Cattarina di Spagna). Malatestas Geschichtswerk entstand Ende des 16. Anf. des 17. Jahrhunderts und kursierte offenbar nur in Form handschriftlicher Kopien. Ein komplettes Exemplar ist nicht bekannt. Zitiert nach Zwierlein, Discorso 2006, S. 494, FN 573, der das Entstehungsjahr auf 1601 ansetzt, vgl. ebd. S. 489. Zur Hauptstadtverlegung und die damit verbundene Zuordnung Savoyens zu Italien siehe auch Balbo, Delle speranze 1844, S. 67; Jöchner, Außenhalt 2003, S. 73; Pollak, Turin 1991, S. 12–13.

[15] Dass die Territorialgeschichte Savoyen-Piemonts in der deutschen Historiographie allgemein wenig präsent ist, stellt auch Zwierlein, Discorso 2006, S. 296–297 fest.

[16] Hier vor allem die Sammelbände Pastore (Hg.), Confini 2007 und Raviola (Hg.), Lo spazio sabaudo 2007.

[17] Comoli u.a. (Hg), Le Alpi 1997.

[18] Savoyen war zwischen 1536 und 1559 nahezu vollständig besetzt (Frankreich/Eidgenossen) und praktisch nicht mehr existent. Vgl. Barberis, Quattro storie 2007, S. XXXVII sowie Dotzauer, Reichskreise 1998, S. 205. Letzterer schreibt: »Von 1536 bis 1555 war praktisch ganz Savoyen als verloren anzusehen; […].« Weshalb Dotzauer die Besetzung Savoyens nur bis 1555 ansetzt, ist nicht ersichtlich, zumal der 1555 geschlossene Waffenstillstand von Vaucelles (bei Cambrai) keine Rückgabe der savoyischen Besitzungen vorsah und deshalb vom Herzog abgelehnt wurde.

[19] Bös, Ethnizität 2007, S. 53.

[20] Gotthard, In der Ferne 2007, hat anhand von Reisebeschreibungen die Wahrnehmung von Raum und Grenzen in der Vormoderne untersucht mit dem Ergebnis (Vgl. S. 156–162), dass sich dem frühneuzeitlichen Menschen die Erde nicht mehr wie im Mittelalter als Patchwork unterschiedlicher Rauminseln präsentiere, aber auch noch nicht wie in der Moderne als euklidischer Raumcontainer. Grenzen seien von Reisenden kaum wahrgenommen worden, große Räume wie »Länder« oder »werdende Nationen« fanden in den untersuchten Quellen keine Erwähnung, kleine Räume blieben sekundär und auch die deutsche Sprach- und Reichsgrenze sei wenig präsent gewesen. Gotthards differenzierte Betrachtung, liefert zwar im Detail Diskussionsstoff, rechtfertigt jedoch nicht die verallgemeinernde und zugespitzte Behauptung, der Autor negiere im Hinblick auf die Frühe Neuzeit grundsätzlich die Erwähnung von Grenzen in Reisebeschreibungen oder zweifle an deren Dinglichkeit. So weist Gotthard auf S. 102 durchaus auf Grenznennungen in Reisebeschreibungen hin, bemerkt aber: »Doch fällt die einstellige Zahl solcher Halbsatznotierungen in dem langen Text kaum auf, nie ist so eine Grenze Einschnitt […]. Grenzlinien werden bei Wedel, anders als in vielen anderen Aufzeichnungen, zwar sporadisch erwähnt – aber unter hundert anderen Nebensächlichkeiten […].«

[21] Schmidt-Funke, Tagungsbericht 2009. Der Autorin sei hier für ihre weitergehenden Informationen und kritischen Anregungen gedankt.

[22] EA (= Amtliche Sammlung der älteren eidgenössischen Abschiede, hg. v. Jakob Kaiser u.a., 8 Bde., Luzern u.a. 1856–1876) und DUM (= Dumont, Jean Baron de Carelscroon: Corps universel diplomatique […], 8 Bde., 2 Suppl.-Bde., Amsterdam 1726–1739.)

[23] Grenze, Mark, Limites, Confinium, Frontiera etc. beziehungsweise Gebiet, Territorium, Spacium etc.

[24] Der Begriff Friedensvertrag wird hier in einem erweiterten Sinne gebraucht, d.h. nicht nur als Mittel zur Beendigung eines Kriegs oder Waffengangs, sondern auch als Mittel zur Konsolidierung, Ausweitung und Verlängerung des Friedens zwischen den Vertragspartnern, womit auch Bündnis-, Territorial-, Heiratsverträge u.ä. darunter fallen. Vgl. hierzu Peters, Friedensverträge – Definition 2006.

[25] Raffestin, L’evoluzione 1987, S. 101. Es sei allerdings erwähnt, dass Raffestin einen wesentlich größeren Zeitabschnitt (16.–19. Jahrhundert) in seiner Betrachtung berücksichtigte.

[26] 1477 VIII 20 Berner Erneuerung des Bündnisvertrags Bern zwischen Freiburg (Schweiz), Savoyen-Piemont, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege (eingesehen am 15.1.2010 Grafik 3, Zeile 15–16).

[27] 1509 III 19 Bündniserneuerung von Bern zwischen Bern, Freiburg (Schweiz), Savoyen-Piemont, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege (eingesehen am 15.1.2010), Grafik 2, Zeile 17.

[28] 1559 IV 3 Friedensvertrag von Cateau-Cambresis zwischen Frankreich und Spanien, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege (eingesehen am 15.1.2010). Für die franz. Fassung siehe dort unter der Rubrik »Ausfertigungen« den Link zur Base Choiseul sowie DUM V.1, S. 39.

[29] 1564 X 30 Schiedsvertrag von Lausanne, Bern, Frankreich, Savoyen-Piemont, in: EA 4.2., S. 1499.

[30] Achim Landwehr in seinem Vortrag Die Zeichen der Natur lesen. ›Natürliche‹ Autorität im habsburgisch-venezianischen Grenzgebiet, gehalten am 24. September 2009 im Rahmen der Aachener Tagung »Grenzen & Grenzüberschreitungen«. Dem Autor sei an dieser Stelle herzlich gedankt für die Zurverfügungstellung seines Skripts. Vgl. auch Raffestin, L’evoluzione 1987, S. 102.

[31] Landwehr, Zeichen 2009 zu Grenzfindung im Veneto siehe auch ausführlich die Habilitationsschrift des gleichen Autors; ders., Erschaffung Venedigs 2007.

[32] Ebd.; Jöchner, Außenhalt 2003, S. 67–68; Raffestin, L’evoluzione 1987, S. 101–103, um nur einige zu nennen.

[33] Gotthard, In der Ferne 2007, S. 157 spricht von einem möglichen longue-durée-Trend der Territorialisierung politischer Herrschaft.

[34] Meuthen/Märtl, 15. Jahrhundert 2006, S. 147; Endres, Adel 1993, S. 60.

[35] Tabacco, La formazione 1965, S. 244.

[36] Jöchner, Außenhalt 2003, S. 67.

[37] Hobe/Kimminich, Völkerrecht 2008, S. 78.

[38] Trapp, Enquêtes 1999, S. 318.

[39] Die komplexe Frage, inwieweit die Herzöge von Savoyen souverän waren oder nicht, kann hier nicht ausführlich behandelt werden, spielt aber in diesem Zusammenhang auch nur eine untergeordnete Rolle, weil ihr Herrschaftsbereich auch als Teil des Reiches genau begrenzt sein kann. Zur Frage der Souveränität Savoyens siehe Externbrink, Le Coeur 1999, S. 192, der darauf hinweist, dass die Herzöge auch von Zeitgenossen als souverän angesehen wurden, was andere, so Jean Bodin (1529/30–1596), bestritten, weil sie Vasall und Vikar des Reiches waren. Das Problem Oberhoheit und konkurrierende Lehnsordnungen wird auch von Kohler, Das Reich 1990, S. 80–81 angerissen.

[40] EA 4.2, S. 1499.

[41] 1485 IV 1 Heiratsvertrag zwischen Karl I. von Savoyen und Bianca von Montferrat zwischen Montferrat und Savoyen-Piemont, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege, Grafik 4 (eingesehen am 15.1.2010).

[42] Artikel 2 (= Grafik 4, Zeile 40–44). Leo, Italienische Staaten 1829, S. 588 behauptet, dass es bei dem Bianca versprochenen Gebiet um die rechts des Pos gelegenen Territorien gegangen sei. Begründet wird diese Aussage mit dem Hinweis, dass die Urkunde in Turin aufgesetzt und unterschrieben worden sei. Folglich wäre »ultra Padum« von der Seite Savoyens zu sehen. Zum einen ist jedoch als Ausstellungsort Casale genannt, zum anderen geht aus dem 3. Artikel klar hervor, dass Bonifazius vorbehält, über das Gebiet zwischen Po und Tanero (wie auch andere Gebiete) zu verfügen, was sinnlos wäre, wenn er es seiner Nichte versprochen hätte.

[43] In DUM III.2, S. 145 und Guichenon, Histoire Généalogique 1780, S. 434–435 ist »dicti Marchionatus« statt »dominii Marchionatus« zu lesen.

[44] Artikel 3 (= Grafik 4, Zeile 44–46).

[45] Vgl. hierzu Oresko/Parrott, The sovereignty 1997, S. 20; Goria, Bonifacio III. 1970, S. 128–131 und Settia, Giangiacomo Paleologo 2000, S. 407–410.

[46] Vgl. oben Abschnitt 59.

[47] Pallière, La question 2006, S. 47–50; Bertrand, Art 2002, S. 10.

[48] Zitiert nach Pallière, La question 2006, S. 49.

[49] Die Bezeichnung »Comté de Nice« findet sich offenbar nicht vor dem 16. Jahrhundert, vgl. ebd.

[50] Fervel, Histoire 1862, S. 327.

[51] Schinz [?], Nizza 1842, S. 2–3 (insbesondere die Anmerkung).

[52] Beide Begriffe sind hier freilich in einem geographischen und nicht in einem politischen oder gar staatlichen Sinne gemeint.

[53] Petrarca, Familiaria I 2005, S. 92.

[54] EA 4.2, S. 1477–1498.

[55] Ebd., S. 1498–1499.

[56] Ebd., S. 1499–1506.

[57] Ebd., S. 1499.

[58] Münster, Cosmographei 1550, S. CCCCX. Vollständig heisst es: »Es ist dieser See ein Scheidmauer zwüschen den Helvetiern und Allobrogen / das seind die Saphoier.« In der weiteren Beschreibung wird auch der Konflikt zwischen den »Helvetiern« und Savoyen thematisiert.

[59] Rhee, Sea Boundary 1982, S. 555–558.

[60] EA 4.2, S. 1503–1504.

[61] Ebd., S. 1504.

[62] Es dürfte sich um den Chemin de Braille handeln.

[63] EA 4.2, S. 1505.

[64] Ebd.

[65] Biel, Beziehungen 1967, S. 52–58.

[66] 1569 III 4 Bündnisvertrag von Thonon mit Konvention über den Unterhalt von Soldaten zwischen Savoyen-Piemont, Sitten (Fürstbistum), Wallis, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege, Grafik 3, 5.–3. Zeile von unten (eingesehen am 15.1.2010).

[67] Ebd. Grafik 4, 11. Zeile von unten.

[68] Vgl. oben Abschnitt 60.

[69] 1477 VIII 20, Berner Erneuerung des Bündnisvertrags zwischen Bern und Freiburg (Schweiz) einerseits und Savoyen-Piemont anderseits, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege (eingesehen am 15.1.2010).

[70] Ebd., Grafik 3, Zeile 11–13.

[71] Ebd., Grafik 3, Zeile 15–16.

[72] Zu jener Zeit waren das die acht Orte Zürich, Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Glarus und Zug. 1481 kommen noch Solothurn und Freiburg, 1501 Basel und Schaffhausen und 1513 schließlich Appenzell hinzu.

[73] 1502 VIII 22, Bündnisvertrag von Solothurn zwischen Savoyen-Piemont und Solothurn, in: Duchhardt/Peters, http://www.ieg-friedensvertraege (eingesehen am 15.1.2010).

[74] Ebd., Grafik 3, Zeile 10.

[75] Ebd., Grafik 3, Zeile 7–8.

[76] Vgl. Schmidt-Funke, Tagungsbericht 2009.



ZITIEREMPFEHLUNG

Peter Seelmann, »… zu einer Bestendigen rechten und heytern March gesetzt und benambset …« – Grenzen und Räume in Savoyen-Piemont, in: Martin Peters (Hg.), Grenzen des Friedens. Europäische Friedensräume und -orte der Vormoderne, Mainz 2010-07-15 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft online 4), Abschnitt 55–66.
URL: <http://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/04-2010.html>.
URN: <urn:nbn:de:0159-2008061836>.

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