• de
  • en

Supplements online

Arno Strohmeyer *


Inhaltsverzeichnis
Friedensverträge im Wandel der Zeit: Die Wahrnehmung des Friedens von Madrid 1526 in der deutschen Geschichtsforschung

Gliederung:
Anmerkungen
Zitierempfehlung

Text:

I.

Der Friede von Madrid, abgeschlossen am 14. Januar 1526, beendete den ersten von vier Kriegen Kaiser Karls V. gegen den französischen König Franz I.[1] Dem Friedensvertrag vorausgegangen war die Schlacht bei Pavia am 24. Februar 1525, bei dem die habsburgischen Truppen nicht nur die französische Armee geschlagen, sondern auch Franz I. gefangen genommen hatten. Der König hatte, den Warnungen seiner Offiziere zum Trotz und den Sieg vermeintlich vor Augen, die sicheren Stellungen verlassen und sich unvorsichtigerweise persönlich an den Kampfhandlungen beteiligt. Die folgenden Monate waren von intensiven Verhandlungen gekennzeichnet. Der habsburgischen Seite ging es um die realpolitische Umsetzung des Erfolgs, der französischen um Schadensbegrenzung und die Freilassung ihres Herrschers.

Als Schlüsselfrage erwies sich Karls beharrliche Forderung nach Rückgabe des von den Franzosen besetzten Herzogtums Burgund samt dazu gehörender Gebiete. Der Habsburger führte dabei in erster Linie alte Rechtsansprüche aus der Zeit seines Urgroßvaters Karls des Kühnen ins Treffen. Die Franzosen zeigten sich zwar in etlichen Punkten konzessionsbereit, boten ein umfangreiches Lösegeld und den Verzicht ihrer Ansprüche auf Mailand und Neapel an, gerade in der Frage Burgund lenkten sie jedoch nicht ein.[2] Franz berief sich dabei auf das im französischen Kronrecht verankerte Verbot der Veräußerung von Krongut.[3] Die Verhandlungen zogen sich deshalb zäh dahin. Forderungen, Gegenforderungen und Kompromissangebote wechselten einander ab, ohne dass eine Lösung gefunden wurde. Ende November 1525 war der Widerstand des französischen Königs jedoch gebrochen. Inzwischen nach Spanien überführt und von der Gefangenschaft zermürbt, gab er nach. In den folgenden Wochen wurde ein umfangreiches Vertragswerk ausgearbeitet, das ediert 51 Seiten umfasst.[4] Nach der Unterzeichnung bekräftigte es Franz I. zusätzlich mit einem Eid. Das Verfahren war zu dieser Zeit nicht außergewöhnlich, brachte die Jurisdiktion der Kirche ins Spiel und band den König an das kanonische Recht.[5]

 132

Einen Kernbestand bilden die Artikel zur Regelung der Restitution Burgunds.[6] Franz hatte zwar eingelenkt, die habsburgische Seite jedoch davon überzeugt, die Übergabe des Herzogtums beim französischen Parlament und den Ständen nur persönlich durchsetzen zu können, also ausschließlich dann, wenn er vorher freigelassen würde. Als Garantie mussten die Franzosen entweder die beiden ältesten Söhne des Königs oder den Dauphin gemeinsam mit einer Reihe hochrangiger französischer Adliger nach Spanien als Geiseln ausliefern.[7]

Kurz vor dem vertraglich vereinbarten Termin der Freilassung trafen die beiden Monarchen nochmals zusammen. Karl versicherte sich dabei erneut der Vertragstreue des Franzosenkönigs. Bei der Verabschiedung umarmte er ihn. Am 17. März 1526 erfolgte schließlich auf dem Fluss Bidasoa im Baskenland, dessen Unterlauf auch heute noch die spanisch–französische Grenze bildet, der Austausch des Königs gegen dessen beide Söhne unter umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen und nach einem vorher penibel ausgehandelten Verfahren, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und Betrug zu verhindern. Die Auswechslung fand auf einer Plattform statt, die extra zu diesem Zweck in der Mitte des Flusses errichtet worden war.[8]

Das Ereignis fand Eingang ins kollektive Gedächtnis. 1615 erfolgte unter Bezugnahme auf die Vorgänge von 1526 an derselben Stelle der Austausch der beiden Bräute anlässlich der Doppelhochzeit zwischen dem Infanten und späteren spanischen König Philipp IV. und Elisabeth von Bourbon auf der einen Seite, sowie zwischen Ludwig XIII. von Frankreich und der Infanta Anna Maria de Austria auf der anderen. Der Pyrenäenfrieden 1659 wurde ebenfalls auf dem Unterlauf des Bidasoa abgeschlossen.[9]

Die realpolitischen Folgen des Madrider Friedens waren gering. Franz hatte bereits im Sommer 1525 und nochmals unmittelbar vor Vertragsabschluss im Geheimen erklärt, sich an die Bestimmungen nicht gebunden zu fühlen, da er auf sie unter Zwang eingehe. Mitte Mai erklärte er nochmals, dass ihm der Kontrakt aufgezwungen worden sei, Karl diesen zudem zu früh publik gemacht habe und er daher an die Rückgabe Burgunds nicht denke.[10] Ein entsprechender Beschluss einer Notablenversammlung im Namen der burgundischen Stände unterstützte ihn dabei.[11] Den Ruf, ein unzuverlässiger Vertragspartner zu sein, sollte er fortan trotzdem nicht mehr los werden.[12]

Der Konflikt mit Karl ging indes unvermindert weiter. Nur kurze Zeit später bildete sich die Heilige Liga von Cognac, ein groß angelegtes antihabsburgisches Bündnis, an dem sich außer Franz I. Papst Clemens VII., der Herzog von Mailand Francesco II. Sforza, die Republik Venedig und einige weitere italienische Herrscher beteiligten. Ziel war die Vertreibung der Spanier aus Neapel, die Rückgewinnung Mailands für die angestammte Dynastie und die Befreiung der sich in Geiselhaft befindenden Söhne des französischen Königs.[13] Die nachfolgenden Auseinandersetzungen bilden den zweiten habsburgisch–französischen Krieg, der 1527 zum Sacco di Roma führte und 1529 im Damenfrieden von Cambrai beendet wurde.[14]

 133

Die geringen realpolitischen Folgen des Madrider Vertragswerks bestimmen bis heute seine Wahrnehmung in der Forschung. Falls er überhaupt erwähnt wird, dann ist die Rede vom »Scheinfrieden von Madrid«[15], von einem Frieden, der vernichtet worden sei, bevor man ihn überhaupt abgeschlossen habe[16], der schon vor seiner eidlichen Bekräftigung tot gewesen sei.[17] Es wurde ihm daher nur wenig Bedeutung beigemessen.[18]

Beurteilt man das Abkommen jedoch nicht ergebnisorientiert, ergibt sich ein anderes Bild: Es handelte sich um den ersten großen Friedensvertrag nach der Weltreichsbildung Karls V. Vor allem für Frankreich stellte die Vereinigung des burgundischen, kastilischen, aragonesischen, österreichischen und überseeischen Länderbesitzes durch den Habsburger, die 1519 durch die Wahl zum römisch–deutschen König und die Annahme der Kaiserwürde ideologisch enorm aufgeladen wurde, eine große Herausforderung dar. Die bereits länger schwelende Rivalität der Häuser Trastámara/Habsburg und Valois hatte dadurch eine neue Qualität erhalten. Sie bildete nun einen »Schlüsselkonflikt«[19] der im Entstehen begriffenen europäischen Staatenwelt, der aufgrund seiner globalen Dimensionen viele andere Gemeinwesen in seinen Bann zog und neuartige Perspektiven weiträumigen politischen Planens und Handelns eröffnete.[20] Es ging, treffend formuliert, um die »ordnungspolitische Neugestaltung Europas«[21], das Karl nun – nach der Schlacht bei Pavia und der Gefangennahme des französischen Kontrahenten – für einen »historischen Augenblick […] zu Füßen«[22] lag.

Vor diesem Hintergrund maßen viele Zeitgenossen den Friedensverhandlungen besondere Bedeutung bei. Karls Großmarschall Karl de Lannoy, gleichzeitig Vizekönig von Neapel, wies den Habsburger darauf hin, dass Gott jedem Menschen nur einmal im Leben einen guten Herbst sende. Wenn er da nicht ernte, so sei es vorbei.[23] Auch der einflussreiche Großkanzler des Kaisers, Mercurino Gattinara, war sich der einmaligen Chance bewusst, die sich durch die Gefangennahme des Rivalen bot. Er entwickelte einen Plan, der mit der Forderung nach den altburgundischen Gebieten und der Errichtung eines provençalischen Königreichs auf eine enorme Machtverkleinerung Frankreichs abzielte. In der Forschung ist von einem »neuartigen, rationalen Einheitsprogramm« mit »absolutem Weltherrschaftsanspruch«[24] die Rede. Noch weiter reichten freilich die Vorschläge Heinrichs VIII. Der englische König machte alte Ansprüche auf den französischen Thron geltend und forderte Karl zu einer gemeinsamen Invasion des Königreichs auf, um dieses dann unter sich und Habsburg aufzuteilen. Karl wies die Pläne jedoch nach einigem Zögern zurück, woraufhin Heinrich einen Separatfrieden mit der französischen Regentin schloss, Franz' Mutter Luise von Savoyen. Der Habsburger verlor dadurch seinen wichtigsten Verbündeten.[25]

 134

Aufgrund seiner Einbindung in den fundamentalen, Europa bis in das 18. Jahrhundert prägenden habsburgisch–französischen Antagonismus und dieser besonderen zeitgenössischen Gewichtung eröffnet der Friede von Madrid somit einen tiefen Einblick in grundlegende außenpolitische Leitmotive und die Perzeption großräumiger politischer Ordnung zwischen den europäischen Gemeinwesen in dieser Schlüsselzeit. Im Zentrum der folgenden Ausführungen stehen jedoch nicht diese Motive und Ordnungsvorstellungen an sich, sondern ihre Interpretation durch die deutsche Geschichtsforschung seit dem späteren 19. Jahrhundert.[26] Besondere Beachtung sollen innerdisziplinäre Entwicklungsphasen, Prägungen durch den politisch–sozialen Kontext und grundlegende Interpretationsmuster finden. Den wichtigsten Bezugspunkt bilden dabei Studien zur Geschichte Karls V., denn zumindest in der deutschsprachigen Historiographie nahm vorzugsweise die Karl–Forschung den Frieden in den Blick. Ihre Erklärungsmodelle waren in vielfacher Hinsicht maßgeblich.

 

II.

In der national geprägten Phase des späteren 19. und frühen 20. Jahrhunderts stand Karl V. grundsätzlich nicht im Fokus der mehrheitlich protestantischen Geschichtsforscher. Gleichwohl verfasste gerade in dieser Zeit erstmals ein deutscher Historiker eine biographische Studie des Kaisers. Der nationalliberale Straßburger Ordinarius Hermann Baumgarten (1825–1893), ein Gegner Heinrich von Treitschkes (1834–1896), publizierte gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine dreibändige, bis 1540 reichende Lebensbeschreibung. Mit ihr sollte der Habsburger aus dem Prokrustesbett der damals dominierenden nationalen Betrachtung gelöst werden.[27] Baumgarten, ein Protestant, wollte in bewusster Abgrenzung zu diesen seiner Ansicht nach verengten Ansätzen »eine allgemeine Geschichte Karls V.«[28] schreiben. Persönliche Motive des Reformations– und Spanienspezialisten spielten bei der Wahl des Themas eine wichtige Rolle, aber auch die bewusste Distanzierung von der auf die preußische Staatsbildung konzentrierten Geschichtsschreibung war ein Motiv.[29]

 135

Das Sprengen der nationalgeschichtlichen Ketten war allerdings kein vollständiger Befreiungsschlag, denn Baumgarten wurde seinen Ansprüchen nur teilweise gerecht. So berücksichtigte er zwar den gesamten Wirkungsbereich des Habsburgers, sprang dabei jedoch von Schauplatz zu Schauplatz, um dort jeweils in nationale Deutungsmuster abzugleiten.[30] Eine Geschichtsschreibung, die »nicht träumerischen Schatten nachjagen« wolle, müsse »immer den Staat in [die] erste Linie rücken«[31]; und der Inbegriff von Staatlichkeit waren für Baumgarten die Nationalstaaten des späten 19. Jahrhunderts, die er in das Zeitalter Karls V. rückprojizierte. Dennoch gerieten übernationale Dimensionen der Herrschaft des Habsburgers ins Blickfeld. Karl V. sei dem »Trugbild einer Universalmonarchie«[32] gefolgt und habe damit eine Politik betrieben, die im Widerspruch zu den spanischen, niederländischen, deutschen, französischen und italienischen Staatsinteressen gestanden habe.[33] 

Dieses Erklärungsmodell ist besonders deutlich bei der sehr ausführlichen Schilderung der Verhandlungen rund um den Frieden von Madrid zu erkennen.[34] Folgt man Baumgarten, dann stand Karl vor der Wahl, entweder dem universalmonarchischen Programm seines Großkanzlers Gattinara zu folgen und gemeinsam mit Italien gegen Frankreich vorzugehen, um dann als Oberhaupt der Christenheit einen Kreuzzug gegen die Ungläubigen durchführen zu können, oder aber er nimmt den Ratschlag Lannoys an und versucht, mit französischem Einverständnis die Vorherrschaft in Italien zu erringen.[35] Karls Ziel sei jedoch die Weltherrschaft gewesen, weshalb er beide Wege gleichzeitig habe einschlagen wollen, also sowohl Frankreich zu schwächen als auch in Italien die Suprematie zu erlangen.[36] 

Der Friedensvertrag hätte daher den französischen König zum »Untergebenen des Kaisers«[37] und den Kaiser zum weltlichen Oberhaupt der Christenheit gemacht:

»Wäre es zur Ausführung gekommen, so würde der Kaiser in der That das geworden sein, was er nach Artikel 26 [des Friedensvertrags] sein sollte: le chef des princes seculiers de la Chrestiente. Frankreich wäre ungefähr auf die Machtstufe zurückgeworfen worden, auf welcher es nach dem englischen Kriege gestanden hatte […]«.[38]

Damit freilich, so Baumgarten, habe der Habsburger die bestimmenden Kräfte der Zeit verkannt.[39] Seine überzogenen Forderungen hätten Franz gedemütigt und in Frankreich einen Aufschwung des Nationalgefühls hervorgerufen.[40] Der Vertragsbruch sei daher eine unabwendbare Folge gewesen. In England wie in Italien, wo der nationale Gedanke ebenfalls bereits wirkungsmächtig geworden sei, habe darüber von vornherein »nicht der geringste Zweifel«[41] bestanden, obwohl man dort vom heimlichen Protest des französischen Königs nichts gewusst habe.[42]

 136

In der Zeit der Weimarer Republik und des »Dritten Reichs« trat die Karl–Rezeption in eine neue Phase. Allerdings folgte die Beschäftigung mit dem Kaiser weiterhin nicht dem Zug der Zeit. Der Habsburger erregte bei den Historikern nur wenig Interesse: Er hatte über Luther die Reichsacht verhängt, die protestantischen Reichsstände bekämpft und nicht das Heilige Römische Reich, sondern Spanien zum Zentrum seiner Politik gemacht. Er eignete sich daher auch nicht zur historischen Legitimation nationalsozialistischer Reichsvorstellungen.[43] So bezeichnet die moderne Geschichtsforschung den Habsburger deshalb sogar als »persona non grata« der nationalsozialistischen Historiographie und wertet die trotzdem stattfindende Beschäftigung mit ihm als Ausdruck einer gewissen Resistenz.[44] Dennoch setzten sich gerade jetzt zwei Historiker mit ihm intensiv auseinander: Karl Brandi und Peter Rassow.

Der 1902 an die Universität Göttingen berufene Brandi (1868–1946), ein Schüler Baumgartens, schrieb als erster deutscher Geschichtsforscher eine vollständige Lebensbeschreibung des Habsburgers. Seine 1937 erstmals publizierte Karl–Biographie, das Ergebnis jahrzehntelanger Archivstudien, entwickelte sich zu einem hochgeschätzten und ausgesprochen einflussreichen Standardwerk.[45] Es erschien als Taschenbuch, wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und mehrmals neu aufgelegt, zuletzt 2001 in Italien.[46] Aufgrund seiner großen Verbreitung wurde es als »europäisches Buch«[47] bezeichnet. Kontextuelle Prägungen sind aufgrund der schwer einzuordnenden politischen Haltung Brandis, der nicht einfach als »Nazi« oder »Mitläufer« bezeichnet werden kann, seiner zumindest in diesem Fall ernst zunehmenden Bemühungen um Objektivität sowie der Konzeption des Werks, das für ein breiteres Publikum geschrieben wurde, nicht leicht auszumachen.[48] Allerdings machte bereits Heinrich Lutz darauf aufmerksam, dass »hinter der epischen Erzählweise Karl Brandis […] viel mehr Konstruktion [stünde], als der Leser zunächst vermuten«[49] würde.

Brandi hatte ursprünglich nur das unvollständig gebliebene Werk seines Lehrers zu Ende führen wollen, war im Zuge der Arbeiten jedoch zu dem Schluss gekommen, dass aufgrund neuer Quellenkenntnisse inzwischen eine grundlegende Neubeurteilung Karls notwendig geworden sei.[50] Vor allem bei der Suche nach einer die nationalstaatlichen Partikularismen übergreifenden Sinngebung der Herrschaft Karls war Brandi konsequenter als Baumgarten. Viel deutlicher ersetzte er den nationalen Tunnelblick durch supranationalen Weitblick. Der Universalismus des Habsburgers ist bei ihm das grundlegende und ein in sich differenziertes Interpretationsmuster. Brandi verankerte ihn zweifach: im Kaisertum und in der dynastischen Idee, die er im Familienbewusstsein sowie in der Heiratspolitik des Habsburgers zu erkennen meinte.[51] Durch die Verschmelzung dieser beiden Vorstellungen sei das geistige Fundament eines Weltreichs entstanden, das Karl durch seine »dynastische Weltmachtspolitik«[52] zu realisieren versucht habe.[53]

 137

Bei der Interpretation des Friedens von Madrid rekurrierte Brandi besonders auf die, wie er es formulierte, »dynastische Staatsraison«[54] des Habsburgers:

»Die dynastische Staatsraison lastete geradezu auf dem Kaiser. Er konnte auf kein ererbtes Recht verzichten. Sein Anspruch auf das französische Herzogtum Bourgogne mit Dijon, wo die Ahnen ruhten, war und blieb der wunde Punkt in den Friedensschlüssen von Madrid und Cambrai. So unerfüllbar diese Forderung und so drückend die finanzielle Not des Kaisers 1525 auch war, auf alle Angebote des Gefangenen von Pavia antwortete er stolz und eng, er wolle nicht das Geld Frankreichs, sondern sein Recht.«[55] 

Brandi maß daher den Artikeln über die Rückgabe Burgunds, die eine Stärkung der habsburgischen Hausmacht bezweckten, besondere Bedeutung bei.[56] Dazu kamen die Bestimmungen über ein Heiratsprojekt zwischen Karls älterer Schwester Eleonore, der verwitweten Königin von Portugal, und Franz I.[57] Baumgarten hatte ihnen nur geringe Bedeutung beigemessen, wohl weil das Projekt erst nach dem Frieden von Cambrai 1529 realisiert wurde.[58] 

Blass wirkt im Gegensatz dazu die Darstellung der französischen Seite. Brandi interpretierte den habsburgisch–französischen Konflikt nicht als Zusammenprall zweier unterschiedlicher Prinzipien. In seinen Augen hatte der Gegensatz Habsburg–Valois nicht jenen fundamentalen Charakter, den ihm die Forschung gegenwärtig zuschreibt. So publizierte er auch 1943 in der Historischen Zeitschrift einen Aufsatz, in dem er die damals weit verbreitete Annahme einer französischen Daueraggressivität gegen das Heilige Römische Reich just anhand einer Analyse der Zeit Karls V. zu widerlegen versuchte.[59] Später wurde ihm deshalb nicht zu unrecht eine harmonisierende Betrachtungsweise vorgeworfen und gemeint, er habe das im habsburgisch–französischen Antagonismus enthaltene Konfliktpotential unterschätzt.[60] Diese Sichtweise entsprach allerdings Brandis kontinentaleuropäischer Gesinnung, dem in seinem Weltbild verankerten Bewusstsein der Einheit des Abendlandes und der Gegensätzlichkeit zur Seemacht England.[61]

Eine andere Sichtweise auf den Madrider Frieden entwickelte Peter Rassow (1889–1961). Rassow, dem es trotz seiner antinazistischen Gesinnung gelang, 1940/41 einen Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Geschichte in Köln zu erlangen[62], zählt zu den einflussreichsten deutschen Historikern der Nachkriegszeit.[63] In seinen ab den frühen 1930er Jahren veröffentlichten Studien über Karl V. kam er zu dem Schluss, eine mittelalterlichen Traditionen verhaftete »universale Kaiseridee« sei der politische Leitgedanke des Habsburgers gewesen. Diese Kaiseridee, die Rassow in engem Zusammenhang mit einer auf dem Gemeinschaftsgefühl der Christenheit beruhenden Weltreichsvorstellung sah, habe Karl seinem politischen Programm vorangestellt. Demnach hätten der Frieden der Christenheit und ihr Schutz gegen innere und äußere Feinde, also gegen Ketzer und Türken, das Hauptziel der Politik des Habsburgers gebildet.[64] Unermüdlich, aber letztlich vergebens, habe Karl an der Verwirklichung dieser Idee gearbeitet. Als Nachweis dafür brachte Rassow die habsburgisch–französischen Auseinandersetzungen und den Frieden von Madrid, in dem sich ja auch der Plan zu einem Kreuzzug gegen die Ungläubigen findet.[65]

 138

Rassow kombinierte seinen Ansatz mit einem Modernisierungsverlauf, bei dem der Nationalstaat als Endpunkt und Maßstab diente. Demgemäß habe Karl mit seiner veralteten mittelalterlichen Kaiseridee gegen Franz I. unterliegen müssen, da dieser bereits die zukunftsweisende Idee des souveränen Nationalstaats verkörpert habe. Der Friede von Madrid wurde aus dieser Perspektive zum Angelpunkt zwischen Mittelalter und Neuzeit, vertreten durch den Habsburger und den französischen König. Gleichzeitig diente er als Beleg für die größere Durchsetzungskraft des Prinzips der Staatsräson, ein Erklärungsmuster, das sich allerdings im Kern bereits bei Baumgarten findet.[66]

Bei der entwicklungsgeschichtlichen Einordnung der habsburgischen Politik und damit auch des Friedens von Madrid stand Rassow somit in einem deutlichen Gegensatz zu Brandi, dessen diesbezügliche Ansichten er auch dezidiert kritisierte. Die Staatsräson, die Brandi im universalistisch–dynastischen Denken Karls erkannt zu haben glaubte, könne es, so Rassow, nur in Beziehung auf einzelne Staaten geben, nicht jedoch auf ein allumfassendes und einzigartiges christliches Weltreich, wie es der Habsburger habe herstellen wollen. Zudem habe Brandi die Bedeutung der Dynastie im politischen Denken Karls überschätzt.[67]

Diese Gegenüberstellung von mittelalterlichem Kaisertum und moderner Staatsräson des im Entstehen begriffenen (National–)Staats stellte bis zu den Forschungen von Heinrich Lutz (1922–1986) in den 1960er Jahren einen zentralen Maßstab für die Analyse der übernationalen Dimensionen der Herrschaft Karls V. und des Friedens von Madrid dar.[68] Der gebürtige Bayer, der zuerst in Saarbrücken lehrte und dann von 1966 bis 1986 einen Lehrstuhl für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien inne hatte, kam in seinen Forschungen über Brandi und Rassow jedoch in zweifacher Hinsicht hinaus.

Zum einen interpretierte er den Universalismus im Herrschaftskonzept Karls V. nicht einfach als eine Neuauflage des mittelalterlichen Kaisertums, sondern als ein Phänomen sui generis, das sich vom Mittelalter wie der Folgezeit unterschieden habe. Damit stellte er die von Rassow vertretene typologische Einordnung des Herrschaftssystems des Habsburgers in das Mittelalter zur Diskussion, ohne sich dabei an der vermeintlich moderneren Staatsräson zu orientieren.[69] Zum anderen wies Lutz darauf hin, dass nicht nur Karl V. universalistische Pläne verfolgt habe, sondern auch Franz I. Er betonte dabei vor allem den gemeinsamen Handlungsrahmen und die komplexen Veränderungen der Epoche. Diese hätten die weltlich–politische Realisierung des Einheitsprinzips der Christenheit in greifbare Nähe gerückt. Erst durch die militärischen Niederlagen und die Wahl Karls zum Kaiser 1519 sei Frankreich in diesem »Duell um Europa« in die Defensive gedrängt worden. Lutz stützte sich dabei u.a. auf eine Stellungnahme des französischen Königs im Jahr 1536, in dem dieser mit Blick auf den Wahlkampf von 1518/19 gemeint hatte, es habe sich um das Werben zweier Männer um die gleiche Dame gehandelt.[70] Damit wurde die Gegenüberstellung von Universalismus und Nationalstaat als Schablone des habsburgisch–französischen Konflikts aufgelöst. Die neue Formel hieß, zugespitzt formuliert, »Universalismus gegen Universalismus«.[71]

 139

Aus dieser Perspektive erhielt auch der Friede von Madrid ein anderes Gesicht. Lutz interpretierte ihn als frühen Knotenpunkt im Kampf zweier weitgehend ähnlicher Herrschaftskonzepte, deren Ziel die hegemoniale Suprematie in der Christenheit gewesen sei. Beide Konzepte hätten eine Mischung von Altem und Neuem enthalten: »mittelalterliches Erbe an Eigenstaatlichkeit und neu erwachten Universalismus«[72]. So sei der Habsburger in den Friedensverhandlungen den modernen Ratschlägen Gattinaras, deren Befolgung eine radikale Schwächung Frankreichs zur Folge gehabt hätten, auch nur halb gefolgt, denn die traditionelle monarchische Solidarität und die pluralistische Christianitas–Idee hätten dem entgegen gestanden. Karl habe einerseits versucht, Frankreich zu schwächen, andererseits jedoch den französischen König aufgrund eines jahrhundertealten ritterlichen Verhaltenscodex wieder freigelassen. Lutz betonte daher auch insbesondere die Umarmung der beiden Monarchen bei ihrem letzten Treffen vor der Freilassung, die er als »Kompromiß zwischen Dominium mundi und Christianitas–Solidarität«[73] deutete.

Die von Lutz vertretene Sichtweise wurde im Folgenden von vielen Historikern übernommen. So wird die einseitige Zuordnung des Habsburgers zum politischen Denken des Mittelalters inzwischen fast durchwegs entschieden abgelehnt. »War das wirklich ein rückwärtsgewandter Traum, der gleichsam objektiv laufende Entwicklungstendenzen verfehlte?«[74], fragte etwa der Augsburger Historiker Johannes Burkhardt (geb. 1943) in seinem Handbuch über die deutsche Geschichte des 16. Jahrhunderts, um dann moderne Elemente in der Herrschaft des Habsburgers anzuführen, etwa das Bündnis mit dem frühmodernen Handelskapital und die politische Propaganda mit druckgestützter Öffentlichkeitsarbeit. Burkhardt sprach sich ebenso dagegen aus, bei der Beurteilung der habsburgisch–französischen Auseinandersetzungen die Nationalstaatsbildung des 19. und 20. Jahrhunderts als Maßstab zu benützen. Seiner Ansicht nach ging es »um ein und dieselbe frühe Staatsbildung in unterschiedlichen Größenordnungen«[75].

Diese Sichtweise illustriert den gegenwärtigen Stand der Forschung, bei der sich die Bezugnahme auf universale, nicht mehr ausschließlich dem Mittelalter verpflichtete Elemente zum leitenden Erklärungsmuster der habsburgisch–französischen Beziehungen und des Friedens von Madrid entwickelte. Es handelt sich um das Ergebnis einer historiographiegeschichtlichen Entwicklung, in der eine am Nationalstaat und der Staatsräson orientierte Betrachtungsweise zunehmend zurückgedrängt wurde. Baumgarten stellte noch vage habsburgische Weltherrschaftsansprüche den französischen Staatsinteressen gegenüber. Brandi entwickelte diesen Universalismus zu einem in sich differenzierten Deutungsmuster weiter. Die Zuordnung der dynastischen Idee, seiner Ansicht nach der Leitgedanken des Friedens, zur Staatsräson, zeigt allerdings noch den Einfluss traditioneller Erklärungsmuster.

 140

Rassow betonte hingegen den Einfluss der universalen Kaiseridee, die er als Ausdruck einer mittelalterlichen Denkweise wertete, die dem zukunftsweisenden Gedanken des Nationalstaats habe unterliegen müssen. Ein Richtungswechsel ist bei Lutz zu erkennen, der auf die universalistischen Elemente in der französischen Politik aufmerksam machte und damit den Gegensatz von habsburgischem Universalismus und französischem Staatsinteresse auflöste. Zugleich betonte Lutz die Neuartigkeit dieses Universalismus, womit er dessen einseitige Zuordnung in die Ideenwelt des Mittelalters beendete.

 

III.

Ein Blick auf die Bestimmungen des Friedens von Madrid zeigt, dass es notwendig ist, diesen habsburgischen »Universalismus« genauer zu bestimmen. Das ist zum einen notwendig, da es sich um eine inhaltsarme Worthülse handelt, wenn man darunter, was Otto Brunner 1944 für die Geschichtsforschung konstatierte, »in einer recht allgemeinen Weise […] alle über den Nationalstaat des 19. Jahrhunderts hinausweisenden Tendenzen«[76] versteht, vor allem jedwede Einheitsbestrebung oder Tendenz zur Expansion. Zum anderen sind habsburgischer und französischer Universalismus, was etwa das Verhältnis zur Kaiserwürde betrifft, keineswegs deckungsgleich.[77] Hier ist allerdings auch noch Forschungsarbeit zu leisten. Zum Dritten stützt das Vertragswerk, wenn man davon absieht, dass Karl die Bedingungen diktierte, keineswegs in allen Punkten die Ansicht, die habsburgische Politik dieser Zeit müsse ausschließlich als ein von universalmonarchischen Führungsansprüchen geleitetes Streben nach hegemonialer Suprematie und Expansion verstanden werden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Karl machtpolitisch die Möglichkeiten, die sich ihm durch die Gefangennahme seines Rivalen boten, bei weitem nicht ausschöpfte. Statt die französische Monarchie gemäß den Ratschlägen Gattinaras entscheidend zu schwächen, beharrte er auf der für Franz I. bekanntermaßen schwer erfüllbaren Forderung der Rückgabe Burgunds.[78] Die Frage, warum das der Fall war, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Genannt werden, mit unterschiedlicher Gewichtung, die durch die Erfolge der Türken auf dem Balkan, das Ausscheren Englands aus der Allianz mit Habsburg und das Vordringen der Reformation veränderte politische Gesamtlage, politische Unerfahrenheit, Respekt vor dem französischen König, monarchische Solidarität, der Einfluss burgundisch–ritterlicher Ideale und das Denken in traditionell–dynastischen Dimensionen. Ernst Schulin (geb. 1929) attestierte dem Kaiser deshalb eine »erstaunliche Weltfremdheit«[79]. Franz Bosbach meinte, Karl habe sich im Widerstreit der universalmonarchischen Pläne Gattinaras und der von monarchischer Solidarität und ritterlichem Geist geprägten Ratschläge Lannoys für letzteren und gegen Gattinara entschieden. Der Vertrag sei aus diesem Grund auch von »uralten französisch–burgundischen Ideologien«[80] durchtränkt gewesen. Erst anschließend habe sich das Konzept Gattinaras durchgesetzt.[81]

 141

Von den Aufgaben und Kompetenzen, die in der zeitgenössischen politischen Theorie einem Universalmonarchen zugesprochen werden konnten in erster Linie Vorrang gegenüber den anderen Herrschern in der Würde, Führung beim Schutz der Christenheit und bei der Friedenssicherung, sanfte Oberhoheit bei der Gesetzgebung und in der Rechtssprechung sowie die Funktion als oberster Schiedsrichter zwischen streitenden Fürsten[82] –, wurden in dem Vertrag einige Punkte nur vage umgesetzt. Die Autorität als oberster Herrscher ist in der Bestimmung zu erkennen, der französische König müsse den Habsburger auf dessen Reise nach Italien zur Kaiserkrönung unterstützen.[83] Klar ausformuliert ist der Anspruch, im Kampf gegen die Ungläubigen der oberste weltliche Schutzherr der Christenheit zu sein.[84] Die Organisation des Zusammentreffens der christlichen Fürsten zur Planung eines Kreuzzugs gegen die Türken und Häretiker wurde hingegen dem Papst übertragen. Karl und Franz sollten diesen dazu in beidseitigem Einverständnis und gemeinsam bitten.[85] Ähnliche Absichtsbekundungen zu Kreuzzügen gegen die Ungläubigen finden sich in dieser Epoche auch in anderen Friedensverträgen, besonders häufig in solchen zwischen den Königen von Frankreich und Spanien.[86] Die Sonderstellung des Papstes beruhte auf dessen Rolle als geistliches Oberhaupt der Christenheit.[87]

Zu den häufig genannten Aufgaben des Universalmonarchen zählte die Verantwortlichkeit für den allgemeinen Frieden.[88] In der Präambel des Vertrags befindet sich allerdings eine Passage, in der die allgemeine Friedenssicherung und Führung der christlichen Fürsten im Kampf gegen die Türken und Häretiker verwiesen wird insbesondere auf die Lutheraner beiden Herrschern übertragen wird.[89] Ähnliches gilt für Artikel 2, demgemäß der Habsburger und der französische König gemeinsam den Schutz des Handels, der Schifffahrt und des Fischfangs der Untertanen übernehmen sollten, wobei ausdrücklich auf die Bedrohung durch die osmanischen Korsaren hingewiesen wurde, die damals das Mittelmeer unsicher machten.[90]

 142

Zu erwähnen ist auch Artikel 6, der die künftigen Beziehungen zwischen dem habsburgischen und französischen Machtblock durch ein System wechselseitigen Beistands im Konfliktfall stabilisieren und auf diese Weise den Frieden aufrechterhalten sollte.[91] Der Artikel fand bislang kaum Aufmerksamkeit. Die Forschung konzentrierte sich statt dessen auf die Regelung zur Restitution Burgunds[92], das Eheprojekt zwischen Eleonore und Franz I.[93], den Verzicht des französischen Königs auf Herrschaftsansprüche in Italien[94] und dessen Verpflichtung, Karl bei dessen Italienzug zu unterstützen.[95]

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass einige Bestimmungen der Durchsetzung regionaler Interessen dienten. Artikel 30 geht auf Beschwerden der Universität Burgos über Privilegienverstöße ein.[96] Artikel 31 enthält wirtschaftspolitische Bestimmungen zur Förderung des katalonischen Wollhandels. Artikel 32 dient dem Schutz der Salzproduktion in der Grafschaft Charloy (Charolais), die rechtmäßig der Tante Karls und Statthalterin der Niederlande, Margarethe, zustand.[97] Besonders viel Raum wird der habsburgischen Klientelpolitik geschenkt.[98]

Aus dieser Perspektive überschnitten sich in dem Friedensvertrag unterschiedliche Ordnungsvorstellungen und Normen: ein sakrales Verständnis der Rolle des Universalmonarchen, pluralistische Christianitas–Idee, monarchische Solidarität, ritterliches Denken, dynastisches Bewusstsein und regional–partikulare Vorstellungen.

Auf eine nicht unbedeutende Folge des Friedens von Madrid machte Lutz in seinen späteren Forschungen aufmerksam. Er wies darauf hin, dass die habsburgisch–französische Rivalität, die den Kontext des Madrider Vertrags bildete, im Zeitalter Karls V. eine Eigendynamik entwickelte, die den Spielraum der Monarchen einengte und Handlungszwänge schuf. Wörtlich meinte er, »in diesem Steigerungsprozess staatlicher Machtansprüche und zwischenstaatlicher Rivalitäten [seien] die einzelnen Machthaber zugleich Treibende und Getriebene, also weitgehend ‚Gefangene’ des Prozesses«[99] gewesen. Karl sei in einen in das 15. Jahrhundert zurück reichenden »circulus vitiosus«[100] von Machtdurchsetzung und Selbstbehauptung eingebunden gewesen.

Anders formuliert: Handlungen in diesem Kontext lassen sich durch die alleinige Bezugnahme auf die Handlungsintentionen also auf das wie immer auch verstandene subjektive Streben der Beteiligten nach universeller Vorherrschaft nur unvollständig analysieren. Richtet man den Blick auf die funktionale Ebene der nichtintendierten Handlungsfolgen, so ist zu erkennen, dass es nicht nur um die Vorherrschaft einer einzelnen Macht ging, sondern ebenso um die Verhinderung einer solchen Vorherrschaft. Die aus dem Madrider Vertragswerk resultierende Liga von Cognac ist dafür ein anschauliches Beispiel.[101] Die enge Verbindung beider Ereignisse lässt bereits jenen aus politischer Pluralität resultierenden »Systemzwang zu dauernder Rivalität«[102] erkennen, der die europäische Staatenvielfalt der Frühneuzeit auszeichnete. Dieser Zwang bewirkte eine dynamische Balance von Aktion und Reaktion, die letztlich erst die Formierung und Stabilisierung staatlich–politischer Pluralität in Europa ermöglichte. Wenn daher Heinz Schilling (geb. 1943) völlig zurecht von der »Janusköpfigkeit«[103] von Karls Kaisertum sprach: auf der einen Seite geprägt von mittelalterlichen Traditionen, auf der anderen jedoch konzeptionell eingebunden in die »'Beziehungsgeschichte' des frühneuzeitlichen Mächtesystems«[104], dann gilt das auch für den Frieden von Madrid.

 143

 



ANMERKUNGEN

[*] Arno Strohmeyer, PD Dr., Historisches Seminar, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

[1] Vgl. den Überblick über die Ereignisse bei Rainer BABEL, Deutschland und Frankreich im Zeichen der habsburgischen Universalmonarchie, 1500–1648. Darmstadt 2005, S. 15–41; Alfred KOHLER, Das Reich im Kampf um die Hegemonie in Europa 1521–1648. München 1990, S. 8–10, S. 123f. Ich bedanke mich bei PD Dr. Michael Rohrschneider für die kritische Durchsicht des Manuskripts.

[2] Karl V. an de Praet, Toledo, 20. November 1525, in: Alfred KOHLER (Hg.), Quellen zur Geschichte Karls V. Darmstadt 1990, S. 115–117.

[3] BABEL, Deutschland, S. 22.

[4] Tratado de Madrid, Madrid, 14. Januar 1526, in: P. MARIÑO (Hg.), Tratados internacionales de España. Período de la preponderancia española. Carlos V, Bd. III/III. España – Francia (1525–1528). Madrid 1986, Nr. 22, S. 122–172.

[5] Randall LESAFFER, Peace Treaties from Lodi to Westphalia, in: Randall LESAFFER (Hg.), Peace Treaties and International Law in European History. From the Late Middle Ages to World War One. Cambridge 2004, S. 9–44, hier S. 22–29.

[6] Tratado de Madrid, Art. 3, S. 131–133.

[7] Ebd., Art. 4, S. 133–136.

[8] Ceremonial para la liberación del Rey de Francia, Aranda, 26. Februar 1526, in: MARIÑO, Tratados internacionales, Nr. 24, S. 184f.

[9] Thomas RAHN, Grenz–Situationen des Zeremoniells in der Frühen Neuzeit, in: Markus BAUER / Thomas RAHN (Hg.), Die Grenze. Begriff und Inszenierung. Berlin 1997, S. 177–206, hier S. 184f., S. 190–193.

[10] Primera protesta del Rey de Francia sobre las condiciones de tratado, Madrid, 16. August 1525, in: Tratados internacionales, Nr. 12, S. 72–75; Segunda protesta del Rey de Francia antes de la firma del tratado, Madrid, 13. Januar 1526, in: ebd., Nr. 21, S. 109–121; Proceso verbal del trato dispensado a Francisco I en España, después de la firma del tratado de Madrid, o.O. Mai/Juni 1526, in: ebd., Nr. 26, S. 190–194.

[11] BABEL, Deutschland, S. 23.

[12] Harald KLEINSCHMIDT, Charles V. The World Emperor. Phoenix Mill 2004, S. 107.

[13] Alfred KOHLER, Karl V. 1500–1558. Eine Biographie. München 1999, S. 180.

[14] Ders., Reich, S. 10, S. 72.

[15] Johannes BURKHARDT, Das Reformationsjahrhundert. Deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung 1517–1617. Stuttgart 2002, S. 144.

[16] Hermann BAUMGARTEN, Geschichte Karls V., 3 Bde. Stuttgart 1885–1892, Bd. 2, S. 470.

[17] Karl BRANDI, Kaiser Karl V. Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und eines Weltreiches, 2 Bde. München 1937–1941, Bd. 2, S. 204.

[18] In der grundlegenden Studie Jörg FISCH, Krieg und Frieden im Friedensvertrag. Eine universalgeschichtliche Studie über Grundlagen und Formelemente des Friedensschlusses. Stuttgart 1979, wird der Madrider Frieden nur zweimal ganz am Rand kurz erwähnt (S. 101, S. 442).

[19] Christoph KAMPMANN, Arbiter und Friedensstiftung. Die Auseinandersetzung um den politischen Schiedsrichter im Europa der frühen Neuzeit. Paderborn u.a. 2001, S. 39.

[20] Ebd., S. 38f.; KOHLER, Reich, S. 1f.

[21] Heinz SCHILLING, Aufbruch und Krise. Deutschland 1517–1648. Berlin 1988, S. 215.

[22] Ferdinand SEIBT, Karl V. Der Kaiser und die Reformation. Augsburg 21997, S. 93.

[23] Zitiert in: BRANDI, Karl V., Bd. 1, S. 194.

[24] Heinrich LUTZ, Karl V. biographische Probleme, in: Grete KLINGENSTEIN / Heinrich LUTZ / Gerald STOURZH (Hg.), Biographie und Geschichtswissenschaft. Aufsätze zur Theorie und Praxis biographischer Arbeit. München 1979, S. 151–182, hier S. 161.

[25] Wim BLOCKMANS, Der Kampf um die Vorherrschaft in Europa, in: Kaiser Karl V. (1500–1558). Macht und Ohnmacht Europas. [Bonn] 2000, S. 17–25, hier S. 21f.

[26] Zur Erforschung Karls V. durch die deutsche Geschichtswissenschaft vgl. Alfred KOHLER, Karl V. in der deutschsprachigen Historiographie, in: C. Scott DIXON / Martina FUCHS (Hg.), The Histories of Emperor Charles V. Nationale Perspektiven von Persönlichkeit und Herrschaft. Münster 2005, S. 17–27; Arno STROHMEYER, Karl V. und die Universalmonarchie in der deutschen Geschichtsforschung, in: ebd., S. 29–44; Peter BURKE, Repräsentation und Re–Präsentation. Die Inszenierung des Kaisers, in: Hugo SOLY (Hg.), Karl V. 1500–1558 und seine Zeit. Köln 2003, S. 393–475; Alfred KOHLER, Ein Blick 500 Jahre zurück: Bilanz und Defizite einer »endlosen« Forschungsgeschichte, in: Alfred KOHLER / Barbara HAIDER / Christine OTTNER (Hg.), Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee. Wien 2002, S. 11–19; Luise SCHORN–SCHÜTTE, Karl V. Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit. München 2000, S. 84–90; Ernst SCHULIN, Kaiser Karl V. Geschichte eines übergroßen Wirkungsbereiches. Stuttgart/Berlin/Köln 1999, S. 11–22; Peter RASSOW, Das Bild Karls V. im Wandel der Jahrhunderte, in: Peter RASSOW / Fritz SCHALK (Hg.), Karl V. Der Kaiser und seine Zeit. Köln 1960, S. 3–17.

[27] BAUMGARTEN, Geschichte.

[28] Ebd., Bd. 1, S. V.

[29] Vgl. Wolfgang H. STARK, Hermann Baumgarten (1825–1893). Ein biographischer Beitrag zur Klärung der Ideenwelt des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert. Nürnberg 1973.

[30] STROHMEYER, Karl V., S. 30f.

[31] BAUMGARTEN, Geschichte, Bd. 1, S. 3.

[32] Ebd., Bd. 1, S. 337.

[33] Ebd., Bd. 1, S. 301, 337f.

[34] Ebd., Bd. 2, S. 406–491.

[35] Ebd., Bd. 2, S. 440f.

[36] Ebd., Bd. 2, S. 469.

[37] Ebd., Bd. 2, S. 471.

[38] Ebd., Bd. 2, S. 471.

[39] Ebd., Bd. 2, S. 444.

[40] Ebd., Bd. 2, S. 485–491.

[41] Ebd., Bd. 2, S. 485.

[42] Ebd., Bd. 2, S. 485.

[43] Ursula WOLF, Litteris et Patriae. Das Janusgesicht der Historie. Stuttgart 1996, S. 44–58.

[44] Ebd., S. 331f.

[45] Wolfgang PETKE, Karl Brandi und die Geschichtswissenschaft in Göttingen, in: Hartmut BOOCKMANN (Hg.), Geschichtswissenschaft in Göttingen. Eine Vorlesungsreihe. Göttingen 1987, S. 287–320.

[46] Karl BRANDI, Kaiser Karl V. Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und eines Weltreiches. 2 Bde. München 1937–1941 (Taschenbuchausgabe des ersten Bandes München 1973); ders., Carlo V. Introduzione di Federico Chabod. Con un saggio di Wolfgang Reinhard. Torino 2001. Darin: Wolfgang REINHARD, L’Imperatore Carlo V (1500–1558) e Karl Brandi (1868–1946), S. XI–XXIII.

[47] Hellmut DIWALD, Einführung, in: Karl BRANDI, Kaiser Karl V. Der Kaiser und sein Weltreich. München 81973, S. 11–21, hier S. 16.

[48] Das Werk besitzt keinen Anmerkungsapparat. Stattdessen publizierte Brandi 1941 einen Ergänzungsband mit Quellen und Erörterungen.

[49] LUTZ, Biographische Probleme, S. 157.

[50] DIWALD, Einführung, S. 16.

[51] BRANDI, Karl V., Bd. 1, S. 13–15, 294–297; Bd. 2, S. 293f.

[52] Ebd., Bd. 1, S. 14.

[53] Ebd., Bd. 1, S. 78; Bd. 2, S. 234; ders., Der Weltreichgedanke Karls V., in: Ibero–Amerikanisches Archiv 13 (1939/40), S. 259–269.

[54] Ders., Karl V., in: Preußische Jahrbücher 214 (1928), S. 23–31, hier S. 28.

[55] Ebd., S. 28f.

[56] Ders., Karl V., Bd. 2, S. 195.

[57] Tratado de Madrid, Poder de Doña Leonor, S. 125–127.

[58] Vgl. etwa BAUMGARTEN, Geschichte, Bd. 2, S. 471f.

[59] Karl BRANDI, Karl V., Spanien und die französische Rheinpolitik, in: Historische Zeitschrift 167 (1943), S. 13–28.

[60] So etwa in Heinrich LUTZ, Kaiser Karl V. Frankreich und das Reich, in: Heinrich LUTZ / Friedrich Hermann SCHUBERT / Hermann WEBER (Hg.), Frankreich und das Reich im 16. und 17. Jahrhundert. Göttingen 1968, S. 7–19, 53–55, hier S. 53; KOHLER, Reich, S. 59.

[61] Karen SCHÖNWÄLDER, Historiker und Politik. Geschichtswissenschaft im Nationalsozialismus. Frankfurt–am–Main/New York 1992, S. 248f.

[62] Rassow verdankte seine Berufung universitätsinternen Eingriffen in das Verfahren und informellen Gesprächen mit dem zuständigen Ministerialbeamten. Vgl. dazu Frank GOLCZEWSKI, Kölner Universitätslehrer und der Nationalsozialismus. Personengeschichtliche Ansätze. Köln/Wien 1988, S. 350–353.

[63] Karl Dietrich ERDMANN, Gedenkrede für Peter Rassow, in: Historische Zeitschrift 195 (1962), S. 131–146.

[64] Peter RASSOW, Karl V. Der letzte Kaiser des Mittelalters. Göttingen/Berlin/Frankfurt 1957, S. 7.

[65] Ders., Die politische Welt Karls des Fuenften. München 1942, S. 76f.

[66] Im Hinblick auf umfassende Fragestellung repräsentierte Rassow allerdings eine neue Stufe der Forschung. Vgl. dazu Heinrich LUTZ, Christianitas afflicta. Europa, das Reich und die päpstliche Politik im Niedergang der Hegemonie Kaiser Karls V. (1552–1556). Göttingen 1964, S. 22.

[67] Peter RASSOW, Die Kaiser–Idee Karls V. dargestellt an der Politik der Jahre 1528–1540. Berlin 1932, S. 4f.; ders., Bild, S. 14.

[68] Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem LUTZ, Christianitas afflicta (Habilitationsschrift).

[69] Ders., Biographische Probleme, S. 159–161; ders., Friedensideen und Friedensprobleme in der Frühen Neuzeit, in: Gernot HEISS / Heinrich LUTZ (Hg.), Friedensbewegungen: Bedingungen und Wirkungen. Wien 1984, S. 28–54, hier S. 29–33.

[70] LUTZ, Christianitas afflicta, 21.

[71] Ebd., S. 22. Ders., Kaiser, S. 65: »Gestützt auf diese neue, weit reichende Mobilisierung der Herrschaftsmittel strebten beide Monarchen nach einer politischen Herrschaft über die ganze Christenheit. Sie warben für diese Überwindung des einzelstaatlichen Pluralismus, wie er seit Jahrhunderten für den europäischen Kulturkreis charakteristisch geworden war, mit wirkungsvollen Argumenten: nur die Vorherrschaft eines Herrschers kann Europa nach innen Friede und Wohlstand sichern und nach außen die Kräfte gegen die türkische Bedrohung zusammenfassen und Konstantinopel und das Heilige Land zurückerobern.«

[72] Ders., Christianitas afflicta, S. 22. In diesem Sinn ders., Kaiser, Reich und Christenheit. Zur weltgeschichtlichen Würdigung des Augsburger Reichstages 1530, in: Historische Zeitschrift 230 (1980), S. 57–88, hier S. 64–66.

[73] Ders., Christianitas afflicta, S. 23. In diesem Sinn ders., Biographische Probleme, S. 156f.

[74] Johannes BURKHARDT, Das Reformationsjahrhundert. Deutsche Geschichte zwischen Medienrevolution und Institutionenbildung 1517–1617. Stuttgart 2002, S. 160.

[75] Ebd., S. 161.

[76] Otto BRUNNER, Zur Frage der österreichischen Geschichte, in: Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung 55 (1944), S. 433–439, hier S. 437.

[77] Vgl. BABEL, Deutschland, S. 155–165.

[78] SEIBT, Kaiser, S. 95: »Ein maßvoller, aber fester Frieden in Madrid hätte […] Karls Spekulation von einer Universalmonarchie weit mehr geholfen als seine uneinsichtigen Forderungen an den König von Frankreich«.

[79] SCHULIN, Kaiser, S. 146.

[80] Franz BOSBACH, Selbstauffassung und Selbstdarstellung Karls V. bei der Kaiserkrönung in Bologna, in: Alfred KOHLER / Barbara HAIDER / Christine OTTNER (Hg.), Karl V. 1500–1558. Neue Perspektiven seiner Herrschaft in Europa und Übersee. Wien 2002, S. 83–103, hier S. 103 (unter wörtlicher Bezugnahme auf Brandi).

[81] Ebd., S. 103.

[82] Franz BOSBACH, Monarchia universalis. Ein politischer Leitbegriff der frühen Neuzeit. Göttingen 1988, S. 35–45.

[83] Tratado de Madrid, Art. 23, S. 148f.

[84] Tratado de Madrid, Art. 25, S. 152: »[…] y sy la dicha congregaçión tan presto non se pudiesse hazer e concluyr o guiar a buen efecto y execuçión y que entretanto los dichos turcos e ynfieles yntentassen alguna empressa por mar o por tierra contra la Christiandad e prinçipalmente en Ytalia, que sería lo más peligroso que podría suçeder a toda la Christiandad (lo que Dios no quiera), en tal caso dicho Señor Emperador, como cabeça de los prínçipes seglares de la christiandad, a quien prinçipalmente pertenessçe la defensión della, en propia persona acompañado de la persona del dicho Rey Christianíssimo e de ortros sus amigos e confederados […]” («[…] und wenn dieses Bündnis nicht so schnell gemacht und geschlossen werden kann, oder nicht zu entsprechend guter Wirkung und Ausführung gelangen kann, und in der Zwischenzeit die erwähnten Türken und Ungläubigen eine Unternehmung zu Wasser oder zu Lande gegen die Christenheit und vor allem in Italien versuchen würden, was das Gefährlichste wäre, das der gesamten Christenheit passieren könnte (und was Gott nicht wünscht); in diesem Fall der Herr Kaiser, als Oberhaupt der weltlichen Fürsten der Christenheit, dem vor allem deren Verteidigung obliegt, selbst und in Begleitung des Allerchristlichsten Königs und anderen Freunden und Verbündeten […]«).

[85] Ebd., S. 151: »Ytem, porque, como dicho es, la prinçipal yntençión de los dichos Señores Emperador y Rey Christianíssimo ha sydo y es de abraçar la paz vniversal por medio desta particular, e por consiguiente en la empresa contra los turcos e otros ynfieles y herejes apartados del gremio de la Sancta Yglesia, como la neçessidad lo rrequiere y nuestro muy Sancto Padre el Papa lo ha ansy muchas vezes exhortado y persuadido, y para seguir y poner por obra estas sus persuasiones y exhortaçiones, ha sydo tractado, concordado e conçertado que los dichos Señores Emperador y Rey Christianíssimo de común acuerdo e consentimiento e por sus comunes embaxadores, suplicarán juntamente a nuestro muy Sancto Padre, que quiera para esto escoger y señalar vn tiempo, el más breve que ser pudiere, y escrebir de su parte a todos los reyes, prínçipes e potendados de la christiandad que embíen en la dicha congregaçión, sus diputados e comissarios con entero y bastante poder, ansy para tratar de la dicha paz vniversalmente todos los christianos, como para dar orden en todos los medios convenientes para las dichas empresas, asy contra los turcos e ynfieles como contra los dichos herejes apartados del gremio de la Yglesia […]« (»Auch weil, wie gesagt wird, die Hauptabsicht dieser Herren, des Kaisers und des Allerchristlichsten Königs, die war, den allgemeinen Frieden mithilfe dieses Friedens zu besiegeln, und daher in der Unternehmung gegen die Türken und anderen Ungläubigen und Häretiker, die von der Gemeinschaft der Heiligen Kirche abgefallen sind, so wie es die Notwendigkeit erforderlich macht und unser Heiliger Vater es so viele Male gefordert und beschworen hat, und um diese Beschwörungen und Ermahnungen zu befolgen und in die Tat umzusetzen, wurde vereinbart, beschlossen und bestimmt, dass diese Herren, der Kaiser und der Allerchristlichste König, in beidseitigem Einverständnis und durch ihrer beider Botschafter gemeinsam den Heiligen Vater bitten mögen, dass er dafür einen Zeitpunkt auswählen und anzeigen möge, so bald als möglich und seinerseits allen Königen, Fürsten und Potentaten der Christenheit schreiben möge, dass sie ihre Abgeordneten und Kommissare mit den umfassenden und ausreichenden Vollmachten zu dieser Versammlung schicken mögen, damit so alle Christen den allgemeinen Frieden verhandelten, um so mit allen für diese Unternehmung geeigneten Mitteln Befehle zu erlassen, sowohl gegen die Türken und Untreuen, sowie gegen die Häretiker, die sich von der Gemeinschaft der Kirche abgespalten hatten […]«).

[86] LESAFFER, Peace treaties, S. 30, nennt die Friedensverträge von Barcelona (1493), Cambrai (1508), London (1508), Crépy (1544), Câteau–Cambrésis (1559), Vervins (1598).

[87] Ebd., S. 30.

[88] Arno STROHMEYER, Peace in Early Modern Concepts of International Order: Universal Monarchy and Balance of Power. In: Proceedings of the 20th International Congress of Historical Sciences (CISH), Sydney 2005 University of New South Wales, Sydney, Australia, 3.–9.7.2005, Sydney 2006 [forthcoming].

[89] Tratado de Madrid, Prohemio, S. 128: »Y estando la persona del dicho Señor Rey Christianíssimo en esta villa de Madrid muy bien tratado por el dicho Señor Emperador, como de la honestidad y parentesco de entrellos convenía, de que el dicho Señor Rey mucho se ha loado e contendado, e deseando los dichos Prínçipes de todo su coraçón poner fin en las dichas guerras, divisyones e dissensiones y arrincar las rrayzes de donde las dichas guerras passadas han nasçido e podrían de aquí adelante nasçer sy del todo no fuessen arrincadas, e queriendo (con) todos por evitar el derramamiento de la sangre christiana, dar medio para vna paz vniversal, para poder convertir e boluer las armas de todos los reyes, prinçipes y potentados de la Christiandad a da rruyna e destruyçión de los dichos ynfieles, e para desarraygar los errores de la secta lutherana y de ortras sectas rreprovadas […]” (»Und die Person des Allerchristlichsten Königs wurde in der Stadt Madrid von besagtem Herrn Kaiser sehr gut behandelt, so wie es dem Anstand und Verwandtschaftsverhältnis zwischen ihnen gebührt, dessen sich der Herr König sehr rühmte und zufrieden wähnte, und diese beiden Herrscher wünschen von ganzem Herzen, den Kriegen, Trennungen und Zerwürfnissen ein Ende zu setzen und die Wurzeln dieser vergangenen Kriege auszureißen, da aus diesen, falls sie nicht vernichtet werden, neue entstehen könnten, und da alle ein weiteres Vergießen christlichen Blutes vermeiden, den Weg für einen allgemeinen Frieden ebnen und so die Waffen aller Könige, Fürsten und Potentaten der Christenheit einsetzen wollen, um diesen Ungläubigen Ruin und Zerstörung angedeihen zu lassen, und um die Irrtümer der lutherischen Sekte und der anderen abgelehnten Sekten auszumerzen […]«).

[90] Ebd., Art. 2, S. 130f.

[91] Ebd., Art. 6, S. 140: »[…] en virtud de la defensyva no darán passo, acogimiento, ayuda, favor ni asistençia en sus rreynos e señoríos e çiudades e villas dellos […] a aquel o aquellos que acometerán o querrán hazer daño al vno o al otro de los dichos Señores o estorvarlos o embaraçarlos en la conservaçión de sus estados y dignidades, directe o yndirecte, en qualquier manera que sea, antes serán obligados de ayudarse y favoresçerse el vno al otro para la guarda y defensión […]. Conviene a saber: el dicho Señor Rey Christianíssimo en lo que agora el Emperador tiene y possee y en lo que en virtud desta presente capitulaçión mediata o ynmediatamente havrá, terná y posseerá. Y el dicho Señor Emperador hará asymismo otro tanto por el dicho Señor Rey Christianíssimo; y esto contra todas y qualesquier persona que los quisieren acometer, disturbar o embaraçar, syn exçeptuar alguno. Y en virtud de la dicha liga defensyva, serán el vno al otro obligados de embiar, luego que fueren rrequeridos, syn dilaçión alguna, en socorro o ayuda contra el acometedor o turbador […]” (»[…] kraft der Verteidigung werden sie keinen Durchgang, Aufnahme, Hilfe, Gefallen oder Unterstützung in ihren Reichen, Herrschaftsgebieten, Städten und Dörfern gewähren […] jener Person oder jenen, die dem einen oder anderen der benannten Herren Schaden zufügen oder zufügen wollen, oder sie stören, oder sie im Austausch mit ihren Ständen und Würdenträgern direkt oder indirekt, oder auf jede andere erdenkliche Weise stören wollen; zuerst sind sie verpflichtet sich zu helfen und sich gegenseitig zu begünstigen bei der Verteidigung […] Man sollte wissen: der Allerchristlichste König bei dem, was nun der Kaiser hat und besitzt und dem, was er infolge dieser Kapitulation direkt oder indirekt haben und besitzen wird. Und der Herr Kaiser wird dies ebenfalls für den Allerchristlichsten König tun; und dies ohne jede Ausnahme gegen alle und jede Person, die ihn angreifen, stören und bedrohen will. Und kraft dieses Verteidigungsbündnisses verpflichtet sich der eine gegenüber dem anderen, falls diese eingefordert wird, ohne zu zögern zu dessen Hilfe und Unterstützung gegen den Angreifer oder Unruhestifter […]«).

[92] Ebd., Art. 3, S. 131–133.

[93] Ebd., Art. 7–17, S. 141–144.

[94] Ebd., Art. 5, S. 136–140.

[95] Ebd., Art. 23, S. 148f.

[96] Ebd., Art. 30, S. 161.

[97] Ebd., Art. 31, S. 161f.

[98] Vgl. vor allem ebd., Art. 26, 29, 34–39, S. 153–157, 159–161, 165–168.

[99] LUTZ, Friedensideen, S. 33.

[100] Ders., Biographische Probleme, S. 167.

[101] Daran ändert auch nichts der Umstand, dass in der Liga selbst dem Kaiser ein Ehrenplatz freigehalten wurde. Vgl. dazu Heilige Liga von Cognac, 22. Mai 1526, in: Jean DUMONT (Hg.), Corps universel diplomatique du droit des gens, contenant un Recueil des Traitez d’Alliance, de Paix, de trève, de neutralité, de commerce, etc., qui ont été faits en Europe, depuis le règne de l'empereur Charlemagne jusques à présent, 8 Bände. Amsterdam 1726–1731, Bd. 4/1, S. 451–455, hier 451. Besonders instruktiv im Hinblick auf den universalistischen Aspekt: Christoph KAMPMANN, Universalismus und Staatenvielfalt: zur europäischen Identität in der frühen Neuzeit, in: Jörg A. SCHLUMBERGER / Peter SEGL (Hg.), Europa – aber was ist es? Aspekte seiner Identität in interdisziplinärer Sicht. Köln/Weimar/Wien 1994, S. 45–76, hier S. 56f.

[102] So LUTZ, Probleme, S. 160, unter Bezugnahme auf Ludwig CARDAUNS, Von Nizza bis Crépy. Europäische Politik in den Jahren 1534 bis 1544. Rom 1923.

[103] Heinz SCHILLING, Veni, vidi, Deus vicit Karl V. zwischen Religionskrieg und Religionsfrieden, in: Archiv für Reformationsgeschichte 89 (1998), S. 144–166, hier S. 152.

[104] Ebd., S. 152.



ZITIEREMPFEHLUNG

Arno Strohmeyer, Friedensverträge im Wandel der Zeit: Die Wahrnehmung des Friedens von Madrid 1526 in der deutschen Geschichtsforschung, in: Heinz Duchhardt / Martin Peters (Hg.), Kalkül – Transfer – Symbol. Europäische Friedensverträge der Vormoderne, Mainz 2006-11-02 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft online 1), Abschnitt 132–143.
URL: <http://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/01-2006.html>.
URN: <urn:nbn:de:0159-2008031300>.

Bitte setzen Sie beim Zitieren dieses Aufsatzes hinter der URL-Angabe in runden Klammern das Datum Ihres letzten Besuchs dieser Online-Adresse ein.
Beim Zitieren einer bestimmten Passage aus dem Aufsatz bitte zusätzlich die Nummer des Textabschnitts angeben, z.B. 133 oder 132–135.