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Heinz Duchhardt *
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Inhaltsverzeichnis |
Gliederung:
Anmerkungen
Zitierempfehlung
Text:
Das Kolloquium, das hier dokumentiert wird, ordnete sich ein in den Kontext des am Institut für Europäische Geschichte neu eingerichteten Forschungsbereichs »Wertewandel und Geschichtsbewusstsein«, der Ausdrucksformen des Geschichtsbewusstseins und des historischen Selbstverständnisses im neuzeitlichen Europa auf die sie prägenden und von ihnen vermittelten Wertvorstellungen hin untersucht. In seinem Rahmen sollten aus verschiedenen Perspektiven Fragen der Entwicklung, des Stellenwerts und der Wirkung des Europagedankens in der Historiographie und im Geschichtsbewusstsein unterschiedlicher Gruppen beschäftigen.
Der Titel der interdisziplinären Konferenz griff auf den seit den sechziger Jahren, in den Geisteswissenschaften immer häufiger verwendeten Begriff des »turn« zurück als Bezeichnung für eine Verschiebung des Blickwinkels oder Zugangs, die »Indikator für die Erweiterung der geschichtlichen Wahrnehmungsweisen« (Karl Schlögel) ist. Er ist, die vielen »turns« der jüngeren Vergangenheit eher etwas ironisierend, im Institut selbst entwickelt worden, wurde aber dieser Konferenz ernsthaft und mit erkenntnisleitender Absicht vorgegeben; freilich wurde er, vorhersehbare Kritik antizipierend, mit einem Fragezeichen versehen. Die Tagung stellte zur Diskussion, inwieweit die sich seit dem 19. Jahrhundert intensivierenden Auseinandersetzungen mit dem Europagedanken in der Geschichtsschreibung und im Geschichtsbewusstsein als Elemente eines »European Turn« verstanden werden können. Den Ausgangspunkt dieser Diskussion bildete die analytische Beschäftigung mit dem Wert »Europa«, seinen unterschiedlichen Definitionen und Bestandteilen. Die Erörterung der Frage nach dem Umgang mit dem Wert »Europa« und nach seiner Funktion in Geschichtsdarstellungen und speziellen Vermittlungsformen sollte im Gesamtzusammenhang des Kolloquiums Aufschluss darüber geben, ob sich in der Historiographiegeschichte bereits Faktoren ausmachen lassen, die in Richtung eines »europäischen Geschichtsbewusstseins« weisen.
Die Konferenz knüpfte an aktuelle Diskussionen über das europäische Geschichtsbewusstsein an, die allerdings bislang überwiegend von Geschichtsdidaktikern und Politikwissenschaftlern geführt werden und sich vor allem auf das gegenwärtige und zukünftige Geschichtsverständnis der europäischen Gesellschaften beziehen. Im Vordergrund stehen dabei meist Fragen der Geschichtspolitik, der kulturellen Identitäten und des öffentlichen Umgangs mit Geschichte in Gesellschaft, Publizistik und Schule. Im Kontext des grundsätzlich gewachsenen Interesses an Historiographiegeschichte erfahren aber auch Fragestellungen, die sich auf spezielle Formen der Erinnerung oder des Gedächtnisses beziehen, immer größere Beachtung.
Während sich die Geschichtswissenschaft seit einigen Jahren verstärkt der Frage widmet, wie sich »europäische Geschichte« definieren lässt und welche Anforderungen in der Gegenwart an eine »europäische Geschichtsschreibung« zu stellen sind, erfuhr die Erforschung von Stellenwert und Wirkung des Europagedankens in der Historiographie bislang nur wenig Aufmerksamkeit. Ob und inwiefern die Historiographiegeschichte Ansatzpunkte für die Entwicklung eines »europäischen Geschichtsbewusstseins« liefert, ist noch kaum thematisiert worden. Es fehlen zudem Untersuchungen, die der Wertigkeit der Europaidee in der Geschichtsschreibung und in der Geschichtskultur der Neuzeit in einem breiteren, vergleichenden Rahmen nachgehen.
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Das Kolloquium fügte sich somit zweitens in den Zusammenhang der Diskussion über das Geschichtsbild Europas und eine kritische Europageschichte ein. Jedoch gingen Fragestellung und Konzeption der Veranstaltung über die Untersuchung einzelner Europakonzeptionen hinaus und knüpften an Forderungen nach einer »selbstreflexiven Historiographiegeschichte« (Konrad Jarausch) an. Dabei galt die Aufmerksamkeit weniger einzelnen Personen und ihrem Werk als vielmehr spezifischen Gruppen und Denkrichtungen sowie ihrer historiographischen Auseinandersetzung mit dem Europagedanken. Indem diese Fragestellung unter dem Aspekt der Erforschung von »Wertewandel und Geschichtsbewusstsein« im Hinblick auf einen möglichen »European Turn« und seine Wirkung betrachtet wurde, führte die Tagung mehrere aktuelle Untersuchungsansätze zusammen und machte ihre Teilergebnisse für sie fruchtbar.
Den beiden Herausgebern, die für den oben genannten Forschungsbereich verantwortlich zeichnen, ist zu danken dafür, dass es ihnen gelungen ist, einen hochrangigen Kreis von Wissenschaftlern zu verpflichten und zu versammeln. Dass sie es vermocht haben, in bemerkenswerter Zeitnähe zu der Veranstaltung diese Online-Publikation auf den Weg zu bringen, verdient besonders hervorgehoben zu werden.
Mainz, im August 2007 Heinz Duchhardt
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ANMERKUNGEN
[*] Heinz Duchhardt, Prof. Dr., Institut für Europäische Geschichte Mainz, Direktor der Abteilung Universalgeschichte.
ZITIEREMPFEHLUNG
Heinz Duchhardt, Zum Geleit, in: Kerstin Armborst / Wolf-Friedrich Schäufele (Hg.), Der Wert »Europa« und die Geschichte. Auf dem Weg zu einem europäischen Geschichtsbewusstsein, Mainz 2007-11-21 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft online 2), Abschnitt 5–6.
URL: <http://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/02-2007.html>.
URN: <urn:nbn:de:0159-2008031319>.
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