Kleiderordnungen und religiöse Pluralität
Die Herstellung von Identität als auch die Zuweisung von sozialer, religiöser, politischer oder gender-Zugehörigkeit mittels Kleidung und anderen äußeren Erscheinungsmerkmalen ist bis heute eine zentrale Handlungsweise im alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang. Mit der zunehmenden Wiederansiedlung von Juden im Heiligen Römischen Reich im 17. Jahrhundert, meist aus wirtschaftlichen Motiven, stellte sich für die christlichen Obrigkeiten wie auch die jüdischen Gemeinden die Frage nach der Regelung religiöser und gesellschaftlicher Differenzen. Im osteuropäischen Raum wuchs die jüdische Bevölkerung bereits seit der Ansiedlung im Mittelalter stark an und stellte christliche und jüdische Obrigkeiten vor ähnliche Fragen. Das Projekt ging der Bedeutung von sowohl obrigkeitlichen als auch internen jüdischen Kleiderordnungen nach und stellte die Frage nach deren Bedeutung für die Versuche eine Ordnung herzustellen, die Konflikte vermied und gleichzeitig die Differenz zwischen Juden und Christen visuell abbildete und lebensweltlich zu erhalten versuchte. Über die Unterschiede zwischen Juden und Christen hinaus, wurde auch in den Blick genommen werden, wie soziale Unterschiede innerhalb der jüdischen Gemeinden visuell sichtbar wurden. Über den normativen Aspekt hinaus wurde dem Umgang mit Kleiderordnungen nachgegangen, wobei die Schaffung eines spezifischen Aussehens als aktives Handeln verstanden wurde, mit dessen Hilfe Zugehörigkeit und Distanz zum Ausdruck gebracht werden. Dabei wurden Kleidung und andere äußerliche Erscheinungsmerkmale als kulturelle Artefakte und deren Träger und Trägerinnen als Handelnde wahrgenommen, die über ihr Erscheinungsbild soziale, politische oder religiöse Vorstellungen zum Ausdruck brachten. Es wurde gefragt, welche Rolle zum Beispiel die positive Identifikation mit der nicht-jüdischen Umwelt, mit der eigenen jüdischen Gesellschaft oder einer bestimmten sozialen oder religiösen Gruppe spielte. Der Blick auf Kleidung und äußeres Erscheinungsbild als Teil des frühneuzeitlichen Ausdrucks von Identitäten, Gruppenzugehörigkeiten beziehungsweise Abgrenzungsbedürfnissen sowie deren Fremd- und Selbstwahrnehmung kann den Blick auf frühneuzeitliche Identitäten schärfen und ihn vor allem über die jüdischen und christlichen Eliten hinaus als breiteres kulturelles Phänomen beschreiben. Das Projekt wurde von Cornelia Aust grundständig bearbeitet.